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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Außerdem hatte die Magd die Küche nicht verlassen. Die Stühle standen noch dort, wo sie zuvor gewesen waren, und auch auf dem Tresen hatte sich nichts verändert.
    Hatte Inga die Liste für sie liegen lassen? Damit sie sah, was mit Tjorven geschehen war?
    Der Wirt hatte sie bestimmt noch nicht gelesen, denn er war nicht im Haus. Anneke bekam ihn erst zu Gesicht, als die ersten Gäste ihre Humpen bereits in den Händen hielten.
    Gitta schien in den Grund seiner Abwesenheit eingeweiht gewesen zu sein, denn sie nahm ganz selbstverständlich den Platz hinter dem Tresen ein und zapfte das Bier in die Humpen.
    Ganz so, als sei sie bereits die Wirtin, ging es Anneke durch den Kopf, während sie die Humpen schleppte.
    Widerwille wallte in ihr auf. Es erschien ihr nicht rechtens, dass eine Frau einer anderen den Ehemann streitig machte.
    Ihre Mutter hatte, obgleich sie in anderen Umständen gewesen war, das nie getan, wie Roland Martens ihr selbst bestätigt hatte. Sie hatte ihn ja nicht einmal nach dem Tod seiner Gemahlin heiraten wollen.
    Magnus warf ihr im Vorbeigehen einen finsteren Blick zu. Sogleich fragte sie sich, ob er wieder bei den Richtern gewesen war, um die Hexenklage gegen seine Frau zu bekräftigen. Aber wenn man ihm Glauben geschenkt hätte, wären sicher gleich ein paar Soldaten mit ihm gekommen.
    Beunruhigender als den Gedanken an die Anzeige fand sie jedoch, dass sich einige Gäste im Zusammenhang mit dem Vasa-Unglück lauthals über die Schiffsbauer ereiferten.
    »Den Kopf abhacken sollte man den Verantwortlichen!«, forderte einer der Männer und hieb seine Faust auf den Tisch. Außer seinen Saufkumpanen stimmten auch noch andere Menschen in den zustimmenden Jubel ein.
    »Aber es ist doch nichts erwiesen«, meldete sich die Stimme der Vernunft in Form eines gut gekleideten Mannes, der sich jeden Sonntag hier blicken ließ.
    »Wer sonst sollte Schuld tragen?«, krächzte eine zerlumpte Gestalt.
    Offenbar hatten die Leute hier schon lange keine Hinrichtung mehr gesehen.
    »Man sagt, dass der König die Baupläne eigenhändig geändert hat«, warf der wohlsituierte Bürger ein.
    Eine kühne Behauptung, die einigen Leuten sichtlich den Atem verschlug.
    »Wer seid Ihr, dass Ihr den König anzugreifen wagt?«, ereiferte sich der Zerlumpte. Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt.
    Anneke sah zu, dass sie die leeren Humpen von einem der Tische räumte, denn alles deutete darauf hin, dass gleich eine Schlägerei ausbrechen würde.
    Der fein gekleidete Mann ließ sich vom Murren der Leute nicht aus der Ruhe bringen. »Ich habe niemanden angegriffen! Ich habe, und das ist eine wohlbekannte Tatsache, nur angemerkt, dass der König die Baupläne geändert und persönlich durchgesehen hat. Schuld oder Unschuld der Schiffsbauer herauszufinden, obliegt niemandem in diesem Raum, sondern nur dem Reichsmarschall. Und Ihr solltet Euch besser der Reden, die nach den Köpfen der Schiffsbauer verlangen, enthalten, es könnte sonst sein, dass ihr eine Tracht Prügel einstecken müsst, wenn sie Euch begegnen.«
    Weder der Bettler noch die anderen sagten etwas dazu. Sie starrten den Mann nur mit offenem Mund an.
    Anneke bewunderte ihn für seinen Mut. Und sie hoffte, dass er seine aufrechten Worte nicht bereute, wenn ihm ein paar von den Männern hier irgendwann in einer Gasse auflauerten.
    Aber so weit schien er nicht zu denken.
    Gelassen zog er eine Münze aus seinem Wams und warf sie auf den Tresen. Dann verließ er die Schenke.
    Anneke atmete tief durch. Einen Moment noch schwiegen die Anwesenden, aber niemand machte Anstalten, ihm hinterherzugehen. Die Anspannung löste sich und schon bald waren die Gäste wieder in ihre Gespräche vertieft.
    Den restlichen Abend über blieb es glücklicherweise ruhig in der Schenke.
    Von dem Mut des Bürgers beeindruckt redeten die meisten Gäste nur noch im Flüsterton über die Vasa und ihre Forderungen nach den Köpfen der Schiffsbauer. Einige vermuteten, dass es sich bei dem Mutigen um einen Bekannten des Reichsmarschalls gehandelt haben könnte.
    Anneke bezweifelte das, denn was hätte ein so angesehener Mann regelmäßig in ihrer Schenke zu suchen?
    Magnus war an diesem Abend so schweigsam wie noch nie zuvor. Die meiste Zeit brütete er vor sich hin, und wenn er den Gästen mal eine Antwort gab, klangen die Worte missgelaunt.
    Kurz nachdem der letzte Gast gegangen war, zog er sich in seine Räumlichkeiten zurück.
    Anneke hätte erwartet, dass Gitta irgendetwas dazu sagen

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