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Sturmsommer

Sturmsommer

Titel: Sturmsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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diesmal? Decke wegziehen, Gießkanne oder - nein, am besten mit einem Biss in die Wange, und zwar einem Zahnpasta-Biss. Das muss einfach wirken.
    Ich schleiche in ihr Zimmer. Da liegt sie, den Laptop noch im Bett, daneben ein Buch, und am Fußende ihr Tagebuch und Stifte, ich weiß nicht, wie sie so schlafen kann, aber sie benutzt ihr Bett wie andere ein Regal. Nur mit dem Unterschied, dass andere in ihrem Regal nicht schlafen würden.
    »Aahhhh! Tom! Was …? Bah!«
    Einen kurzen Moment sieht sie richtig blöd aus, dann wird sie wach und kriegt rote Backen. »Du Mistkerl! Wehe, das hinterlässt Spuren! Was soll ich denn Chris sa…« Ach Chris. Wen interessiert Chris.
    »Sag halt, wir sind eine gefährliche Familie.«
    »Mama, Tom weckt mich nächstes Mal bitte nicht mehr!«, brüllt Lissi nach unten.
    »Sag ihm, er soll endlich runterkommen!«
    »Du sollst runterkommen.«
    »Hab’s vernommen!«, rufe ich.
    »Tom! Komm endlich!«
    »Muss diese Schreierei sein?«, tönt es aus Papas Arbeitszimmer. Also bevor es Krieg gibt, gehe ich lieber frühstücken.
    Ganz artig mache ich vor Mama einen kleinen Diener, was ihr ein müdes Lächeln entlockt, und setze mich mit einem lauten Seufzer an den Tisch. Jetzt bin ich wach.
    Papa kommt in die Küche. Noch sieht er richtig gut gelaunt aus und meint wie immer, alle anderen seien das dann auch.
    »Na, mein Sohn, du siehst ja frisch und munter aus heute früh. Das ist doch ein positiver Anfang!«
    Der weiß genau, dass ich heute Nachhilfe habe. Und er weiß auch, dass ich nicht will. Trotzdem. Ich mag jetzt nicht dran denken.
    »Ich habe Lissi gebissen, deshalb.«
    Mama rollt nur mit den Augen. »Wir hätten nicht Skifahren gehen sollen damals«, sagt sie zu Papa und grinst so komisch. Ich bin nämlich ein Skiunfall. Mama hatte die Pille zu Hause vergessen und konnte sich nicht gegen Papa wehren, wie sie immer ganz glücklich zu sagen pflegt. Papa lächelt nur beseelt zurück. War wohl ein schöner Skiunfall.
    »So, ich muss los«, sage ich und nehme mir einen Apfel aus der Obstschale.
    »Aber du hast gar nichts gefrühstückt!«, ruft Mama.
    »Ich frühstücke eigentlich nie, weißt du doch.«
    Mama und Papa werfen sich vielsagende Blicke zu. Ein misslungener schöner Skiunfall?
    »Dann nimm wenigstens was mit! Was Richtiges!«
    »Und trink genug!«, sagt Papa.
    »Halt, stopp, mein Sportzeug!«
    Treppe rauf, Treppe runter. Könnten sich auch mal einen Aufzug anschaffen. Ich höre gerade noch Lissis Aufschrei aus dem Bad - der Scheißhaufen und ein stumpfer Lippenstift -, als ich die Haustür zuschlage und mein Rad aus der Garage hole. Muss mich beeilen, ich bin wirklich spät dran.
    Jetzt hat sie mich also wieder, die Schule.
    Es klingelt zur Mathestunde. Und eben hat Tanja mir auch noch so aufmunternd zugelächelt. Als hätten wir eine gemeinsame Verschwörung. Von wegen. Ich habe mich weggedreht und sie nicht beachtet. Konnte sie noch nie leiden, warum soll ich sie jetzt leiden können - nur, weil sie mir Mathe beibringt? Eine scheiß Verschwörung ist das.
    Dann hat sie mir noch etwas zugeflüstert, was ich aber nicht verstanden habe, da ich es nicht verstehen wollte. Gleich wird Frau Schilfer kommen, dann habe ich endlich Ruhe.
    Toni wackelt neben mir nervös auf der Stuhlkante herum. Er hat mir furchtbar viel zu erzählen. Ständig quasselt er auf mich ein. Ich bin froh, ihn wieder neben mir zu haben. Das Beste an der Schule ist, jeden Tag Toni zu sehen. Und Anja und Marc, obwohl die nicht neben uns sitzen. Das haben die Lehrer nicht ertragen. Nach drei Wochen haben sie uns getrennt. Eigentlich wollten sie auch Toni und mich auseinandersetzen. Aber dagegen haben wir uns gewehrt. Wir sitzen seit der Grundschule nebeneinander. Alles andere ist auch unvorstellbar. Und trotzdem würde ich jetzt gerne mal kurz alleine sein, um in Ruhe nachdenken zu können.
    Ich überlege nämlich schon die ganze Zeit fieberhaft, wie ich mich vor der Nachhilfestunde drücken könnte. Damit Mama endlich kapiert, dass ich bei Tanja nichts lerne. Krankspielen geht nicht, Papa ist ja Arzt und er würde mich durchschauen. Abhauen - wäre eine Idee. Aber das ist Quatsch. Wo soll ich denn hin? Im Stall leben? Damit die Polizei mich da wieder rausholt? Nee. Toni ist mal von zu Hause abgehauen, hat aber selbst Angst gekriegt und ist derart eilig wieder zurückgekommen, dass seine Abwesenheit nicht mal jemandem aufgefallen ist. So schnell wie er würde ich mir zwar nicht in die Hosen machen, aber ich

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