Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
Dank.
»Was tust du hier? Wie bist du hergekommen? Hat Sinosh dich gefunden und zu uns geführt? Wo ist er?«
»Langsam«, wehrte sie mit einem halben Lächeln ab. »Das sind eine Menge Fragen auf einmal.« Dann sah sie sich um. »Ich bin anscheinend eine Gefangene, genau wie du? Ich meine ihr?«
Jaquento nickte betrübt.
»Sinosh hat mich gefunden, und ich habe seine Botschaft so gedeutet, dass du und Bihrâd auf dem Weg flussaufwärts seid, und zwar nicht ganz freiwillig …«
»Das ist allerdings richtig«, knurrte der Hiscadi und warf Sean einen vielsagenden Blick zu.
Roxane folgte diesem Blick und runzelte die Stirn. »Matrose? Was machen Sie denn hier? Wir dachten, Sie seien in Rachine desertiert.«
»Er war es, der uns den Fluss hinauf mitgenommen hat«, warf Bihrâd ein. »Ein Mann mit vielen Gesichtern.«
Sean setzte sein bestes Lächeln auf und salutierte pflichtschuldig. Die Kapitänin schüttelte verwirrt den Kopf.
»Ich glaube, das müsst ihr mir noch näher erklären. Aber ich bin zumindest verdammt froh, euch alle lebendig wiederzutreffen. Als ich euch gefolgt bin …«
»Was, allein?«, unterbrach sie Jaquento und zog die Augenbrauen zusammen.
»Nein, nicht allein. Zumindest zuerst nicht«, erwiderte sie. »Wir sind, geführt von Sinosh, mit der Siorys flussaufwärts gefahren bis zu dieser Stadt hier. Ich habe im hiesigen Hafen anlegen lassen, und dann bin ich von Bord gegangen, um mich offiziell nach euch zu erkundigen. Ich hatte die Vermutung, dass ihr beide nicht lange unbemerkt bleiben würdet.« Bei diesen Worten lächelte die Kapitänin leicht. »Doch dann habe ich etwas anderes gefunden.«
Roxane hielt in ihrem Bericht inne. Die drei Männer beugten sich gespannt vor, und die junge Frau senkte die Stimme, als sie weitersprach: »Die Todsünde ist hier. Ich habe sie gesehen.«
»Im Hafen?«, fragte Jaquento und warf dem Mauresken einen langen Blick zu. Du hattest Recht, mein Freund.
»Ja. Schwer bewacht, von diesen Golduniformierten hier. Ich vermute aber, dass die Ladung nicht mehr an Bord ist, sonst hätte Groferton sicher auf dem Weg hierher etwas gespürt. Jedenfalls begann ich, ein paar Fragen zu stellen, man versprach mir, mich zu jemandem zu bringen, der mir helfen kann – und jetzt bin ich hier.«
»Was ist mit der Besatzung? Mit Coenrad?«
»Die sind noch an Bord und erwarten wohl meine Rückkehr.«
»Und Sinosh?«
»Hat sich aus dem Staub gemacht, kaum dass wir die Taue an den Pollern vertäut hatten. Ich hätte eigentlich vermutet, dass er mittlerweile wieder bei dir ist.«
Roxane trat einen Schritt zurück und musterte Jaquento. Er konnte beinahe ihre Gedanken lesen und wusste schon, was sie sagen würde, bevor sie weitersprach, also kam er ihr zuvor.
»Im Nachhinein war unser Ausflug nicht die beste aller Ideen, gebe ich zu. Wir wollten gar nicht so viel Staub aufwirbeln, sondern einfach nur ein paar Leute befragen.«
»Und dann?«
»Dann wurden wir erst von Hanoan gefangenen genommen, anschließend von Sean und seinen Schlägern …«
»Mit Ihnen wird noch zu sprechen sein, Seemann«, warf Roxane ein. »Auch wenn Sie nicht in Rachine in einem Bordell verschwunden sind, wie ich es zunächst vermutet hatte, bleibt Ihr Verschwinden doch Fahnenflucht. Und dazu kommen sicherlich eine ganze Reihe anderer Verstöße.«
Sean tippte sich freundlich lächelnd an die Stirn. »Ich kann Ihren Zorn verstehen, Käpt’n, aber ich bin nicht mehr Teil der Marine.«
»Darüber entscheiden nicht Sie.« Roxanes Stimme war kalt wie Eis.
»Warum gehen Sie nich’ dem Mauresken und dem Hiscadi auf den Nerv – von wegen desertieren?«
»Wir sind keine Matrosen, Sean«, erklärte Jaquento rasch. »Und falls du dich trotzdem dazu entschließen würdest, uns aufknüpfen zu lassen, könnte ich dich irgendwie verstehen«, fuhr er, an Roxane gewandt, fort. »Wir hatten eine dumme Idee und sind ihr einfach gefolgt. Es tut mir leid; ich wollte dich bestimmt nicht in Schwierigkeiten bringen.«
»Du. Du hattest eine dumme Idee und hast mich dazu überredet, dir zu folgen«, erklärte Bihrâd mitleidslos, und der Hiscadi sah ihn vorwurfsvoll an.
»Danke für deine Unterstützung, mein Freund.«
»Schon gut«, murmelte Roxane. Sie ließ sich auf eine der Bänke fallen und seufzte tief. »Momentan sind wir ja ohnehin kaum in der Lage, irgendjemanden hängen zu lassen. Und immerhin – dank all dieser lausigen Zwischenfälle haben wir zumindest die Todsünde wiederentdeckt.«
Jaquento
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