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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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ganz schön kaputt aus! War wohl schwer in Form, dein Schatz, heute abend?« Ein paar Frauen lachten derb. Sie warteten auf eine jener scharfen, vulgären Erwiderungen, für die Graziella berühmt war, aber an diesem Abend kam keine. Graziella strich sich nur schwerfällig mit der Hand über das Gesicht. »Halt dein lästerliches Maul, Lola«, murmelte sie, »es geht mir verdammt dreckig. Weiß gar nicht, was das ist. Mein Kopf tut mir weh, und jeder einzelne Knochen im Leib...« Mit dem Rücken an der Tür entlang rutschte sie zu Boden. Ihre Augen blickteneigentümlich verschleiert.
    »Sie ist krank«, sagte eine ältere Frau, »bestimmt hat sie Fieber!«
    »Wir haben doch so viele Krankenschwestern hier«, sagte Lola, »los, Felicia, schau dir Graziella an und sag uns, was sie hat!«
    »Ich habe keine Ahnung von solchen Dingen«, erwiderte Felicia, die im Lazarett zu Schwester Paulas Entsetzen kaum eine Schußwunde von einem Flohstich hatte unterscheiden lernen. Eine andere Frau trat heran und untersuchte Graziella, die über Gliederschmerzen, Übelkeit und Kopfweh klagte. Sie sah besorgt aus, als sie sich wieder aufrichtete. »Ich kann mich irren. Aber ich würde das für den Beginn von Typhus halten.«
    Entsetztes Schweigen folgte ihren Worten. Lola ließ sich schwer hintenüber auf ihr Bett fallen. »Ich hab gewußt, daß so was passieren würde«, sagte sie, »ich hab das immer gewußt!
    Irgendwann mußte diese Hure sich mal was holen, und jetzt ist es soweit. Jetzt stecken wir bis zum Hals im Dreck!«
    »Es ist nicht Graziellas Schuld«, widersprach die andere,
    »Typhus wird nicht in erster Linie übertragen durch... nun, durch das, was Graziella hin und wieder tut. Es ist viel wahrscheinlicher, daß in unserem Trinkwasser oder im Essen Bakterien sind. In überfüllten Lagern wie diesem hier passiert das leicht.«
    »Dann können es viele von uns schon haben?« fragte Felicia erschrocken.
    »Das ist mit einiger Sicherheit anzunehmen, ja.«
    »Ich halt's nicht aus«, stöhnte Lola, »ich halt's nicht aus!«
    Mit mechanischen Bewegungen fuhr Felicia fort, Kat das Haar zu bürsten. Ihre Hände fühlten sich kalt an. In abgehackten, wirren Gedanken fiel ihr ein, was man ihr über Typhus beigebracht hatte: Kopfweh, Gliederschmerzen,Frösteln, dann ansteigendes Fieber, ein blasser Hautausschlag, Schläfrigkeit bis zum Delirium, Durchfall, und schließlich, am Ende, konnte es zu Darmblutungen kommen oder zuBauchfellentzündungen, und viele starben daran...
    »Uns wird doch nichts geschehen, Felicia?« fragte Kat. Ihre großen, dunklen Augen waren voller Angst und bettelten um eine trostreiche Antwort. Mit erzwungener Ruhe sagte Felicia:
    »Aber was! Wir sind kräftig und gesund, Kat, uns passiert nichts. Und jetzt halt still. Deine Haare sind schrecklich verfilzt!«

    Alex Lombard warf seine Zigarette zu Boden, trat sie aus und beschloß, seinem Regiment einen Besuch abzustatten, genauer gesagt, Leopold Domberg, von dem er den Eindruck hatte, er müsse hin und wieder ein bißchen aufgerichtet werden. Schließlich war man verwandt und steckte gemeinsam in derselben Scheiße.Die Soldaten waren in der ehemaligen Dorfschuleuntergebracht, deren Dach zwar durch einen Granateneinschlag zertrümmert worden war, deren untere Räume aber noch genutzt werden konnten. Die glühende Sommerhitze hatte alle Zimmer in stickige Brutkästen verwandelt, und obwohl jetzt der Abend kam und die Fenster offen standen, regte sich drinnen noch kein frischerer Lufthauch. Die Männer lagen auf ihren Feldbetten oder hockten in den Ecken zusammen; manche schliefen, einige lasen oder schrieben Briefe, andere spielten Karten. Es stank durchdringend nach Schweiß. Fliegen schwirrten herum. Als Alex eintrat, sprang der Feldwebel auf, um Meldung zu machen, aber Alex winkte ab. »Ist Domberg hier?« fragte er.
    »Domberg!!« brüllte der Kompaniechef. »Domberg! Der Herr Major fragt nach dir!«
    »Domberg ist nicht hier.«
    »Der hat doch eine Mieze im Lazarett. Wahrscheinlich ist erbei der.«
    »Domberg ist nicht anwesend, Herr Major«, teilte der Kompanieführer mit.
    Alex nickte. »Ist schon in Ordnung.« Aber etwas beunruhigte ihn.
    Leo hatte so etwas in den Augen gehabt...
    Quatsch, dich geht das doch nichts an, wies er sich zurecht. Und dennoch, als er auf den Platz vor der Schule trat und einem jungen Leutnant begegnete, der mit wichtiger Miene hin-und herflatterte, fragte er sogleich: »Haben Sie Domberg gesehen?«
    »Jawohl, Herr Major. Vor

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