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Sturz der Tage in die Nacht

Sturz der Tage in die Nacht

Titel: Sturz der Tage in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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euch hören könntet, Leute«, sagte Felix. »Da reißt sich hier einer den Arsch auf, um euch ’ne echte Delikatesse an Land zu ziehen, und alles, was euch einfällt, ist, ob’s ’n dicker Schlitten war.«
    »Ich habe Beziehungen zu einem Förster«, sagte Feldberg. »Ein guter Schütze. Da gibt’s keine Todesqual. Wenn der schießt, geht das Ding direkt zwischen die Augen.«
    »Ist ja übelst lustig hier«, sagte eine Frau, die mit einer Cola-Wodka am Geländer lehnte, zu Felix. »Auf Typen wie dich ist also auch kein Verlass.« Sie klang enttäuscht.
    Felix sah zu ihr hoch, und Inez glaubte für einen Moment, so etwas wie Wut und die Wucht des Begehrens in seiner Körperhaltung zu erkennen, als wolle er die Frau anspringen und niederreißen, aber dann legte er ruhig die Holzkohlenzange auf den Steintisch und stand auf. »Also, Jungs. Das ist ’ne Fete hier, kein Jagdkommando!« Er sah in Richtung Gartentor. »Wo bleibt eigentlich meine Kleine? Glaubt die, alle Welt würde auf sie warten oder was.«
    »Das sind ja ganz neue Töne«, sagte Rainer Feldberg. Er hatte die Schweinekoteletts dicht nebeneinander auf den Grill gelegt. Das Fett tropfte auf die Kohle und ließ Flammen hochschlagen, die Feldberg mit Bier ablöschte. Felix machte einen großen Schritt über die Pfütze. Er nahm Feldberg die Bierflasche aus der Hand, trank einen Schluck und legte ihm dann den Arm mit der Flasche um die Schultern.
    »Es gibt Leute, die leben, und Leute, die dumme Bemerkungen drüber machen, Genosse.«
    »Ich meine ja nur.«
    »Klar meinst du nur.«
    »Früher hättest du dafür gesorgt, dass sie pünktlich ist. Du hättest sie abgeholt. Das meine ich.«
    »Unser Cowboy ist liiert«, sagte die Frau mit der Cola-Wodka.
    »Da kannste Gift drauf nehmen«, sagte jemand. »Mit einer Minderjährigen.«
    »Sie ist eine mündige Staatsbürgerin, du Nulpe«, sagte Feldberg.
    »Ja«, sagte die Nulpe, »und unser Cowboy hier hat sich vorbildlich darum gekümmert, dass sie unserem Staat rechtzeitig sozialistischen Nachwuchs beschert.«
    »Du etwa nicht?«, sagte Felix Ton über Feldbergs Schulter. »Du hast doch schon drei Gören in die Welt gesetzt, da konntest du noch nicht mal das Einmaleins aufsagen.«
    »Das kann die Nulpe immer noch nicht«, sagte jemand anders.
    Es wurde gelacht. Das Licht auf der Terrasse schwankte. Jemand war an den einzelnen Lampion gestoßen, der mit einem Nagel an einem Stück überhängender Dachpappe an der Laube befestigt war.
    Nulpe, Kanaille, Witzbold.
    Der Lampion wackelte, und das Licht flog durch die Nacht, erhellte die Gesichter und die zerrupfte Knallerbsenhecke vor der Terrasse, erhellte das Gras und streifte den Kopf des Hundes, der die ganze Zeit nah bei der Hecke gelegen haben musste und vom Licht geweckt aufsprang. Er war so groß wie ein Schäferhund mit hellbraunem, am Bauch fast weißem Fell. Er sprang mit einem Satz auf die Terrasse und lief auf Feldberg zu, angelockt vom Geruch des Schweinefetts. Er umrundete die Pfütze, stellte sich vor den Grill und sah Feldberg an.
    »Doch nicht etwa der«, sagte der Mann im gestreiften Hemd. »Sag nicht, der hat das Reh zur Strecke gebracht.«
    Die Frau mit der Cola-Wodka nahm die Wodkaflasche vom Tisch und füllte ihr Glas. »Von einem Köter hat mir unser Cowboy auch nichts gesagt«, sagte sie auf eine so eindeutige Weise zu Felix, dass jeder auf der Terrasse verstehen musste, wie viel diese Frau dafür geben würde, noch einmal seinem Blick ausgesetzt zu sein, diesem triebhaften, diesem Blick wie ein Lasso, dachte Inez höhnisch auf ihrem Beobachtungsposten, egal, wie sozialistisch oder wie liiert ihr Cowboy war.
    Feldberg machte sich aus Felix Tons Umarmung los. Er packte seinen Hund am Halsband und schob ihn weg. »Du bist später dran, Akko. Ab mit dir.« Der Hund stemmte sich gegen die Hand. Er rutschte auf gestreckten Läufen über die Terrasse, und als Feldberg losließ, machte er einen erneuten Versuch. Diesmal drehte er seinem Herrchen das Hinterteil zu.
    »Ab mit dir, hab ich gesagt!« Der Hund knickte mit den Hinterläufen ein und fing an, seinen Arsch vor Feldberg hin- und herzuschwingen. Sein Schwanz war kurz, ein abgeschnittener fleischiger Stumpf, der durch die Luft peitschte, während der Hund sich halb hockend an ihn drängte, bis Feldberg ihm einen Tritt in die Flanke versetzte. Der Hund sprang winselnd auf, lief ans Ende der Terrasse und kroch durch das Geländer zurück ins Dunkel. Er war jetzt näher an der Stelle, wo Inez

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