Sturz ins Glück
sie mich darum, ihren Sohn zu treffen. Nach meiner Heimkunft erwartet sie einen vollständigen Bericht über sein Wohlergehen.“ Reginald zog den abgewetzten Brief aus der Tasche und hielt ihn Bevin hin. „Sie kennen ja die Frauen. Wahrscheinlich hat er ihr einfach nicht oft genug geschrieben.“
„Ah.“ Bevin besah sich den Brief, dann gab er ihn zurück. „Dann ist es gut, dass Sie ihm einen Besuch abstatten. Ich hoffe nur, dass das für Sie keinen allzu großen Umweg bedeutet.“
„Ach, das stört mich gar nicht. Bisher habe ich meine Reise durch dieses faszinierende Land sehr genossen.“ So sehr wie Zahnschmerzen. Überall stank es nach Rinderdung und seine Lungen waren voll mit dem Staub, dem man sich hier nirgendwo entziehen konnte. Trotzdem grinste er wie ein zufriedener Reisender, um Bevin nicht stutzig zu machen.
„Wenn Sie eine Hotelempfehlung brauchen, rate ich Ihnen zum Australian Hotel in Menardville. Ein Mann namens William Saunders hat es bauen lassen. Hat seine Frau aus Australien mitgebracht, wie der Name vermuten lässt.“
Wunderbar . Als wären die Kolonien Amerikas nicht schon rückständig genug, mischten jetzt auch noch diese australischen Hinterwäldler mit. Doch das Gespräch wurde interessanter.
„Ich werde mir den Namen merken.“ Reginald umkreiste die Westcott Ranch mit seinem Gehstock, dann tat er so, als sei ihm ein neuer Gedanke gekommen. „Ich habe gesehen, dass Mr Westcotts Land genau zwischen Menardville und Fort McKavett liegt. Wissen Sie zufällig, in welcher Stadt er seine Geschäfte eher abwickelt?“ Er zuckte mit den Schultern, als wäre ihm die Antwort nicht sonderlich wichtig. „Ich dachte, ich bringe seiner Mutter so viele Informationen wie möglich mit nach Hause. Welche Waren die Geschäfte anbieten, wie viele Kirchen es in der Stadt gibt und so weiter.“
Bevin lächelte verständnisvoll. „Das Fort ist so gut wie verlassen. Ein paar Zivilisten haben sich dort niedergelassen, aber Menardville ist eindeutig die größere Stadt. Zufällig weiß ich, dass Westcott dort im Gemischtwarenladen einkauft.“
„Wunderbar. Dann werde ich mir den Ort einmal ansehen.“
Natürlich würde er sich nicht in Menardville blicken lassen. Wenn Westcott Freunde in Menardville hatte, würde Reginald direkt nach Fort McKavett reisen. Er hoffte, dort ein paar Leute anheuern zu können, die bereit waren, sich die Hände schmutzig zu machen. Wenn er Glück hatte, traf er sogar auf jemanden, der den Mann nicht mochte.
Sein Lächeln wurde breiter.
Gideon Westcott würde ihm nicht mehr lange im Weg stehen.
Bevin beugte sich über die Karte und schüttelte den Kopf. „Diese Zeichnung hier ist nicht sehr genau. Ich kenne dieses Land wie meine Westentasche. Vielleicht möchten Sie, dass ich Ihnen den Weg einzeichne?“
„Wie freundlich von Ihnen, Sir. Danke.“ Reginald fuhr seinen Assistenten an: „Farnsworth, geben Sie dem Mann Papier und einen Stift.“
Als Bevin anfing zu zeichnen, machte sich ein Gefühl des Triumphes in Reginald breit. Der Mann hatte keine Ahnung, dass er gerade schamlos ausgenutzt wurde. Ein Mann wie Bevin ging davon aus, dass Gentlemen gewisse Werte schätzten und sich auch danach richteten. Integrität. Ehrlichkeit. Er würde niemals damit rechnen, betrogen zu werden, also würde er selbst auch nicht betrügen.
Innerlich schüttelte Reginald den Kopf über so viel Vertrauensseligkeit.
„Bitte schön.“ Bevin reichte ihm eine erstaunlich detailgetreue Karte, die zahlreiche Orientierungspunkte bot. Reginalds Zufriedenheit wuchs. Der Mann wusste nicht, dass er Reginald gerade dabei half, seinen Geschäftspartner aus dem Weg zu räumen.
„Das wird uns eine großartige Hilfe sein. Ich danke Ihnen.“
„War mir eine Freude, Mr Church. Wann gedenken Sie abzureisen?“
„Morgen.“ Reginalds Herzschlag beschleunigte sich bei diesem Gedanken.
Bevin runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Bis dahin werden Sie es niemals schaffen, eine angemessene Zugunterbringung zu bekommen. Ich habe einen Kontaktmann im Bahnbüro. Gestatten Sie mir, dass ich alles für Ihre Reise organisiere. Übermorgen können Sie in einem Privatwaggon bis nach Lampasas reisen. Von dort nehmen Sie eine Kutsche für den Rest Ihrer Reise.“
Reginald überschlug in Gedanken seine Möglichkeiten. Einerseits wollte er so schnell wie möglich zu Westcott, um seine Nichte an sich zu bringen, doch andererseits würde ihm ein Privatwaggon aufdringliche Mitreisende ersparen,
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