Sub Terra
rosa und haarlos, aus ihrem Bauch und begann an ihrer Brust zu trinken. Die Mutter schien es gar nicht wahrzunehmen und starrte weiterhin Ashley an. Ashley schaute fasziniert zu. Der Säugling, der von dem Aufruhr unruhig wurde, verschwand wieder in seinem Versteck. In einem Beutel!
»Schau nur, Ben«, sagte Ashley, und die Zuschauer wichen einen Schritt zurück, »die Mutter dort drüben. Sie trägt ihr Baby in einem Beutel unter ihrem Bauch.«
»Na und? Hast du die Wachen am Eingang gesehen? Die mit den Speeren und den Wolfswesen an der Leine? Wenn wir hier rauswollen, haben wir ein Problem.«
»Mir egal. Mich kriegt man hier sowieso nur mit Gewalt wieder fort. Hier gibt es einfach zu viel zu entdecken. Kannst du dir vorstellen, was das bedeutet?« Sie wies mit dem Kopf auf die Frau.
»Was denn?«
»Nur Beuteltiere, also Marsupialier, tragen ihre Jungen in Beuteln. Diese Lebewesen müssen Beuteltiere als Vorfahren haben!«
»Klasse, wir sind von einem Haufen Kängurus eingefangen worden.«
Sie ignorierte seine Bemerkung und dachte weiterhin laut vor sich hin. »Die riesigen Bestien, die uns angegriffen haben, waren ebenso eine Spezies früher Beuteltiere. Es scheint, als wären alle Nischen dieses Ökosystems mit unterschiedlichen Beuteltierarten besetzt. Aber wie sind sie nur hierher gelangt? Wie haben sie überlebt?«
Ben zuckte die Achseln.
»Mensch, überleg doch einmal, Ben. Ein komplettes Ökosystem aus Beuteltieren, unbeeinflusst und fern vom Wettbewerb der übrigen Säugetiere, hat sich hier entwickeln können. Die Evolution hat in diesen Höhlen einen vollkommen anderen Weg eingeschlagen.«
In diesem Moment verstummte die flüsternde Menge. Vollkommene Stille herrschte. Ben stieß Ashley an und deutete nach vorn.
Eine hoch aufgerichtete Gestalt schritt aus dem Eingang zum größten Haus. Das Wesen war schwarzhaarig, hatte jedoch vereinzelte graue Flecken in seinem Bart. Seine Augen waren von einem derart satten Gelb, dass sie zu glühen schienen. Das Wesen war einen Kopf größer als ihr Begleiter, seine Schultern waren breit und muskulös. In der rechten Hand trug es einen Stab, der größer war als es selbst. Auf der Spitze saß ein Rubin so groß wie eine Grapefruit.
Nun hob ihr Begleiter den Kopf und begann, hastig zu sprechen. Der andere, eindeutig der Anführer der Gemeinschaft, ließ ab und zu ein Wort fallen. Ashley verfolgte neugierig den Wortwechsel und fragte sich, um was es ging. Ihr Begleiter endete mit einem letzten Brummen und senkte den Blick wieder auf den Stein vor sich.
Der Häuptling wandte sich ihnen zu, blickte zuerst Ashley, dann Ben an. Er schien sie ausgiebig zu mustern und kratzte sich dabei geistesabwesend am Bauch. Dann bellte er ihnen etwas zu. Während seine Worte für Ashley und Ben unverständlich waren, schnappte die Menge hörbar nach Luft und wich einen Schritt zurück. Manche schossen sogar davon und huschten hinter die Vorhänge.
Ashley schaute Ben an.
Er zuckte mit den Schultern und flüsterte: »Ich glaube, das bedeutet nichts Gutes.«
Der Häuptling stampfte mit seinem Stab auf den Boden und drehte sich um.
In dem Moment tauchte eine zerbrechliche Gestalt mit zottigen silbergrauen Haaren aus der Nachbarhöhle auf. Er ging so langsam und vorsichtig, dass Ashley glaubte, sie würde seine Gelenke quietschen hören. Wie der Anführer hatte auch er einen Stock, doch ganz im Gegensatz zu ihm benutzte er ihn, um sich bei jedem Schritt mit seinem ganzen Gewicht darauf zu stützen. Außerdem war sein Stab mit einem pfirsichgroßen Diamanten besetzt.
Als er näher kam, bemerkte Ashley das Muster, das in roten und gelben Farbtönen auf seine Brust gemalt war.
Ben wurde plötzlich unruhig. »Ich schnappe gleich über.«
»Psst«, zischte sie, »es ist bestimmt nicht höflich, jetzt zu reden.«
Der Greis schaute sie an. Auch wenn sein Körper offenbar alt und verbraucht war, ließen seine Augen eine scharfe Intelligenz und einen regen Geist erkennen. Er schaute Ben an, nickte ihm zu und sprach dann zum Anführer.
Ben zog sich einen Schritt zurück. »Ashley, ich habe das Muster schon einmal gesehen. Das Muster auf der Brust des Tattergreises.«
»Was? Wo?«, flüsterte sie.
Er schluckte schwer und sagte mit zitternder Stimme: »In … einem Traum. Auf der Brust meines … toten Großvaters.«
Sie nahm seine Hand. »Hör zu, darüber reden wir später. Im Augenblick sollten wir lieber herausfinden, was sie mit uns vorhaben.«
Während ihres Flüsterns war
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