Such mich Thriller
kaputten Auto, betrachtete den platten Reifen und registrierte ganz ruhig, dass sie heute Nacht sterben würde. Sie konnte die Lichter der Interstate sehen, aber dort würde niemand sie schreien hören.
Doch ihre Panik hatte sich gelegt.
Auf der alten Route 66 waren über viele Meilen in jeder Richtung keine Scheinwerfer zu sehen, trotzdem hatte sie Gesellschaft: Die Depression war zurückgekommen wie ein treuer schwarzer Hund, ein riesiger, allumfassender Schatten. Für Angst blieb da kein Platz.
April stiegen die Tränen in die Augen. Irgendwo auf dieser Straße wartete ein kleines Mädchen auf sie. Jetzt würde es in alle Ewigkeit warten müssen.
Ein Auto näherte sich.
April wandte sich um. Die Scheinwerfer kamen auf sie zu, erst schnell, dann langsamer. Ganz langsam. Sie hatte noch Zeit zu denken, dass ihr verlorenes Kind nur noch Minuten von ihr entfernt war, dass eine zehnjährige Odyssee nun zu Ende ging. Sie senkte den Kopf und sprach ein stummes Gebet.
Und wartete.
Was ihrer kleinen Tochter geschehen war, würde nun auch ihr geschehen, und das genügte als Antwort auf alle Fragen bis auf die eine: Warum?
Eine Autotür schlug zu. Schritte näherten sich. Er stand neben ihr, sie sah nur seine Schuhe. Ganz nah.
Gleich.
»Hoffentlich haben Sie einen Reservereifen dabei, Lady«, sagte der Detective aus New York.
Riker brachte den nächsten Ausreißer zur Tankstelle und mahnte: »Lassen Sie Ihren Wagen niemals unbeaufsichtigt. Wenn Sie austreten müssen, bitten Sie Charles Butler, auf ihn zu achten. Niemand darf dem Wagen zu nahe kommen, ist das klar?«
Er wollte seine Kreditkarte einschieben, aber sein Freund war ihm schon zuvorgekommen. »Respekt - schnell gezogen«, sagte Riker. »Wie fühlst du dich so als Babysitter?«
»Sie sind alle sehr brav.«
»Höre ich gern. Wenn die Maulwürfe nicht ein paar Nummernschilder übersehen haben, habe ich alle bis auf einen.«
»Ich habe mich inzwischen ein bisschen mit April Waylon unterhalten. Sie hat mir von ihren Erlebnissen mit Mallory erzählt - und von dem Mann, den du auf sie angesetzt hattest.« Er wartete einen Augenblick, aber Riker war offenbar nicht bereit, ihm etwas über diesen Nebenschauplatz zu erzählen. »Im Übrigen gibt es große Ähnlichkeiten zwischen Mrs. Waylons Geschichte und der von Mr. Linden. Der Akku wurde ihr aus dem Handy gestohlen, und sie hatte einen Platten. Das lag an …«
»Lass mich raten: einem schadhaften Ventil. Das hat sie glücklich überlebt, und jetzt läuft sie schon wieder allein durch die Gegend. Gibt es denn nichts, was diese Frau das Fürchten lehren kann?« Er sah auf die Uhr. »Einer fehlt mir noch, ich muss wieder weg. Kann spät werden.« Inzwischen setzte sich April Waylon ungeniert über seine Anweisung hinweg, ihr
Fahrzeug nie unbeaufsichtigt zu lassen. Mit einem Bild ihrer Tochter ging sie los, um es ans Fenster der Tankstelle zu kleben. Die Autotür blieb offen.
Riker seufzte. »Warum schieße ich sie nicht gleich über den Haufen? Würde mir viel Arbeit sparen.«
Auch Charles sah April Waylon nach. »Sie trägt seit zehn Jahren rot - seit ihre Tochter verschwand.« Er gab Riker einen Becher Kaffee, den er sehr nötig hatte, dann gingen sie zusammen zurück zum Mercedes.
»Sie hat nur rote Sachen im Schrank«, fuhr Charles fort. »Dadurch braucht sie morgens keine Entscheidungen zu treffen, die ihr - das ist typisch für Menschen mit schweren Depressionen - sehr schwer fallen. Neuerdings aber weiß sie wieder etwas mit ihrer Zeit anzufangen, sie hat eine echte Aufgabe. Und sie glaubt nicht, dass sie ihre Tochter auf einem Interstate-Highway finden wird.«
»Okay, ich hab’s kapiert.« Riker drückte den leeren Pappbecher mit einer Hand zusammen. »Ich werde mit den Feds reden. Wenn ich den Ausreißer gefunden habe.« Seine törichte Herde blieb allein, während er sich auf die Suche nach dem einen Lamm machte, das sich verlaufen hatte.
Unter dem Himmel von Oklahoma hatte die Elternkarawane ihre Zelte aufgeschlagen. Es war spät geworden.
Agentin Christine Nahlman beobachtete den Mann, der mit seinem Wolf über das Feld ging. Riker hatte Jills Dad nur fünfzehn Minuten zum Ausführen des Tieres zugebilligt, und die Zeit war fast um.
Jills Dad hatte von sich aus angeboten, Abstand zu der Gruppe zu halten, wohl weil er sich seiner Außenseiterrolle bewusst war. Die aber verdankte er nicht seinem furchteinflößenden Begleiter, sondern der Tatsache, dass er keine Bilder
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