Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Titel: Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
Jahren.
    »Übernachtet Ihre Schwester oft hier?«, fragte ich. Fast aus Versehen.
    Bei dieser Frage verkrampfte sie sich noch mehr. Sie krallte die Hände ineinander, atmete mit zusammengepressten Lippen. Und dann hob sie ruckartig den Kopf.
    »Nein«, sagte sie. »Und Sie werden von mir auch nicht erfahren, warum mein Mann damals weggegangen ist… und… Das werde ich Ihnen nicht sagen, denn das ist eine Privatsache, eine Sache, die nur unsere Familie betrifft und niemanden sonst, schon gleich gar nicht die Polizei.«
    »War der Grund, weshalb Ihr Mann damals weggegangen ist, derselbe wie diesmal?«
    Stumm sah sie mich an, die Lippen aufeinandergepresst, die Hände im Schoß.
    »Das ist alles, was ich wissen will«, sagte ich.
    Mühsam fing sie an zu sprechen. »Er hat gesagt, er tut sich nichts an. Er hat es versprochen. Heute Morgen am Telefon. Und ich glaub ihm. Und jetzt gehen Sie bitte! Gehen Sie!«
    »Der Grund ist also derselbe wie damals«, sagte ich. Und nachdem sie den Kopf weggedreht hatte: »Hat Ihr Mann eine Freundin?«
    Noch etwas war ungewöhnlich an dieser Wohnung: Sie wirkte wie die eines alten Menschen. Und tatsächlich wirkte Lotte Grauke in ihrer schwarzen Kleidung, mit ihrer gebückten, gedrückten Haltung, ihrer fahlen Haut und den Ringen unter den Augen Jahre älter als sie war. Sie war dreiundfünfzig.
    »Das ist ja lächerlich«, sagte sie.
    Ich sagte: »Mit wem hat er in seiner Werkstatt Bier getrunken?«
    »Mit mir nicht«, sagte sie leise.
    »Mit Ihrer Schwester?«
    »Bestimmt nicht.«
    »An einer der Flaschen ist Lippenstift«, sagte ich.
    »Bitte gehen Sie jetzt! Und suchen Sie meinen Mann nicht länger! Er ist gesund. Und er wird wiederkommen. Muss ich für die Anzeige was bezahlen?«
    »Nein«, sagte ich. »Warum haben Sie den Schrank ausgeräumt?«
    »Ich mach sauber, ich spül die Sachen ab.« Sie sah mich nicht an.
    Bevor ich die Wohnung verließ, warf ich einen Blick in die Küche. Kein Geschirr, keine Gläser. Im Flur stand ein Karton und ich stieß behutsam mit dem Fuß dagegen. Es klirrte.
    Von einer Telefonzelle aus rief ich Andy Krust in seinem Dienstwagen an.
    »Einer der Arbeiter hat echt was gesehen, einen weißen Panda und eine Frau.«
    »Und den Grauke?«, fragte ich.
    »Der ist eingestiegen in den Panda, sagt der Arbeiter. Falls es Grauke war.«
    »Hatte der Mann einen Koffer dabei?«
    »Das weiß der Typ nicht mehr, er hat das Auto gesehen, weil er es selber angehalten hat, die haben grad irgendwelche Steine abgeladen, da haben sie die Straße gesperrt. Und in dem Panda saß eine Frau, Mitte zwanzig. Ungefähr. Und die hat dann gewartet und dabei mit ihrem Handy telefoniert. Und als die Sperre aufgehoben war, ist sie zur ›Pension Sonne‹ weitergefahren und hat da angehalten. Der Arbeiter hat sich dann wieder um sein eigenes Zeug gekümmert. Aber den alten Mann hat er noch rauskommen sehen.«
    »Grauke ist neunundfünfzig«, sagte ich.
    Andy sagte: »Na ja.« Er gab mir die Beschreibung der jungen Frau. »Übrigens: Herr Thon hat gesagt, die Vermissung ist erledigt, das sind die letzten Recherchen.«
    »Unbedingt«, sagte ich. Anschließend rief ich Martin im Dezernat an.
    »Die Frau Trautwein hat heut frei«, sagte er, »die ist zu Hause. Hat aber keine Lust auf dich zu warten. Ich hab ihr gesagt, dass es weniger Aufsehen macht, wenn sie einfach ruhig auf ihrem Sofa sitzen bleibt und aufs Klingeln wartet. Übrigens: Volker hat gesagt, die Vermissung ist erledigt.«
    »Danke«, sagte ich. »Ist Sonja schon zurück?«
    »Nein, sie hat angerufen. Vor den inserierten Wohnungen stehen die Leute Schlange bis auf die Straße. Sie wollte sich jetzt noch eine in Milbertshofen anschauen und dann ins Büro kommen.«
    »Früher waren die Wohnungsbesichtigungen abends«, sagte ich.
    »Abends sind die Schlangen noch länger, sagt Sonja. Was sagt die Gattin?«
    »Sie schämt sich.«
    »Wofür?«
    »Genaueres nach der Obduktion«, sagte ich.
    Im »Ragazza« war ein Fenster geöffnet und ich schaute hinein. In einer Ecke versuchte Sina Frank Plakate aus einer Kartonrolle zu ziehen.
    »Hallo!«, rief ich.
    Sie zuckte zusammen. »Mein Gott!«, sagte sie.
    »Entschuldigung«, sagte ich.
    Sie sagte: »Haben Sie den Schuster gefunden?«
    »Ja und nein.«
    »Geht mich auch nichts an.« Sie widmete sich wieder der Rolle. Anscheinend hatte sie Schwierigkeiten, die Plakate herauszubekommen.
    »Soll ich Ihnen helfen?«, sagte ich.
    »Ich schaff das.«
    »Dieses Mädchen, das Schuhe zu

Weitere Kostenlose Bücher