Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit
zu überreden versuche, seit du das College abgeschlossen hast«, verkündete sie triumphierend. »Du kannst dich in der Werbeabteilung von ECE nützlich machen! Den Standort darfst du selbst auswählen, Liebes. Egal ob Seattle, Olympia, San Francisco, Portland oder Spokane. Ein Arbeitsplatz ist heutzutage virtuell. Du könntest dank dieser neuen Videokonferenztechnologie von zu Hause aus arbeiten. Du bist so kreativ und fantasievoll, Livvy. Als Bibliothekarin oder Ladeninhaberin sind deine Talente verschwendet. Tatsächlich könnte sich die ganze Angelegenheit letztendlich als unverhoffter Segen entpuppen.«
Ha! Liv knirschte mit den Zähnen. »Ich wäre nicht gut im … «
»Unsinn. Du bist brillant. Und das Beste daran ist, dass du – egal, wo du auch arbeitest – vom ECE -eigenen Sicherheitsdienst beschützt werden könntest! Stell dir nur vor, was das für eine Erleichterung wäre, Schatz! Zu wissen, dass du jeden Tag so sicher wärst, als würdest du in einem Banktresor leben!«
Liv verzog das Gesicht. »Ich würde durchdrehen, wenn ich für ECE arbeiten müsste.«
»Hör auf, an dir zu zweifeln, Livvy! Wir haben immer an dich geglaubt!«
An wen geglaubt? Wer immer diese Person war, an die Amelia Endicott zu glauben behauptete, sie lebte Lichtjahre von der Tochter entfernt, die sie tatsächlich hatte. Doch es war müßig zu versuchen, ihr das begreiflich zu machen.
»Wo immer du dich niederlassen willst, werden wir dir eine Eigentumswohnung mit Hochsicherheitsstandard besorgen«, fuhr ihre Mutter fort. »Dein Wandern und Joggen wirst du zwar aufgeben müssen, aber du kannst immer noch Gymnastik zu Hause machen. Außerdem gibt es überall Lebensmittellieferservice … «
Das Gebrabbel ihrer Mutter ebbte in Livs Ohren zu einem fernen Brummen ab, so als säße sie allein unter einer Glasglocke. Sie dachte an Amelias Sammlung antiker Puppen im Salon ihres Stadthauses in Seattle. Jede stand für sich allein, in steifer Haltung, mit einem perfekten Keramiklächeln auf dem bemalten Gesicht. Hübsch. Zufrieden mit ihrem Schicksal. Gefällig. Gehorsam.
Es tat so weh, ihre Mutter zum x-ten Mal zu enttäuschen. Unaufhörlich gegen eine solch starke Strömung anzuschwimmen, entkräftete Liv, doch diese Strömung zog sie erbarmungslos auf einen tödlichen Wasserfall zu.
Sie malte sich das Leben aus, das ihr bevorstand. Keine Wanderungen mehr auf Trekkingwegen durch die Berge. Keine Spaziergänge mehr an nebligen Stränden, wo die Wellen die Spuren der Seemöwen fortspülten. Kein abendliches Einkuscheln mehr in ihren Sessel in dem windschiefen Haus zwischen den Kiefern, um Fantasy-, Science-Fiction- und Liebesromane zu lesen. Kein Joggen bei Sonnenaufgang mehr. Kein Stöbern in Buchkatalogen, um zu entscheiden, was sie für ihren Laden bestellen sollte. Kein Öffnen von Kisten voll glänzender Bücher, kein Blättern in druckfrischen Seiten, kein Notieren, was sie später lesen würde. Keine Märchenstunde mehr im Angesicht staunender Kinderaugen.
Nein. Sie würde eine einsame Ratte in einem Käfig in einer antiseptischen Wohnung sein, die im Keller auf einem Laufband trainierte, eingezwängt in Seidenstrümpfe, Kostüm und Stöckelschuhe, herumchauffiert von einem Limousinenservice, um einem Job nachzugehen, der sie zu Tode langweilte, und eingesperrt in einem Banktresor. Eine innere Kälte ließ sie frösteln.
»… so höflich sein, dich auf das zu konzentrieren, was ich sage, Livvy? Hast du überhaupt zugehört?«
»Entschuldigung«, murmelte sie. »Ich bin vollkommen erledigt.«
»Reiß dich zusammen«, fauchte ihre Mutter. »Dein Vater und ich sind übereingekommen, dass du und Blair eure Verlobung bekannt geben solltet.«
Damit hatte Amelia ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Liv starrte ihre Eltern ungläubig an. »Was für eine Verlobung? Wovon sprecht ihr, um alles in der Welt?«
»Ich hasse es, dich zu drängen, Liv.« Blairs Stimme klang ernst. »Ich weiß, dass du warten möchtest, bis du dir ganz sicher bist, und ich respektiere das. Wir müssen auch nicht sofort heiraten. Es ist nur Theater.« Er nahm ihre Hand und drückte einen galanten Kuss darauf. »Zumindest vorübergehend«, ergänzte er scheu.
»Wir müssen uns beeilen, jetzt, wo McCloud aufgetaucht ist«, warf ihre Mutter ein. »Um die Details kümmern wir uns später.«
Sie blinzelte. »Was hat Sean damit zu tun?«
Blair und Amelia wechselten einen vielsagenden Blick. »Willst du damit andeuten, dass dir die Möglichkeit noch nicht in
Weitere Kostenlose Bücher