Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
War dies wirklich der Kerker des Emirs? Oder spielte man ihm etwas vor? Und wo war Said geblieben?
Das Geräusch eines Schlüssels, der in das Schloss der Kerkertür gestoßen wurde, riss ihn aus seinen Überlegungen. Zwei Männer traten ein, der eine trug eine Öllampe, den anderen kannte Philip. Es war der Hauptmann der Stadtwache, mit dem er zuletzt gesprochen hatte, als man ihm Constantins Tod gemeldet hatte.
»Sieh an, du lebst noch!«, sagte der Hauptmann. Seine Stimme war ebenso kalt wie vor geraumer Zeit, als er Philip den ungesühnten Vatermord vorgeworfen hatte. Trotz der Dunkelheit erkannte Philip die Verachtung in den Augen des Mannes.
»Warum bin ich hier?«
»Warum? Glaubst du wirklich, ein räudiger Christ wie du hätte das Recht, ungestraft einen gläubigen Anhänger des Propheten zu erschlagen?«
»Wen soll ich erschlagen haben?«
»Said al-Musawar.«
»Said!«, schrie Philip. »Das ist nicht wahr!« Er versuchte aufzuspringen, wurde aber von den Ketten zurückgehalten. Rote Funken tanzten ihm vor den Augen, er drohte außer sich zu geraten. »Wo ist Said? Wir wurden überfallen, ich wurde niedergeschlagen! Wo ist er?«
»Der ehrwürdige Abd al-Hisâb hat gesehen, wie du Said al-Musawar im Streit erschlagen und die Leiche in den Nil geworfen hast. Seine Männer haben dich überwältigt und hergebracht.« Der Hauptmann spie vor Philip aus.
»Das ist eine Lüge!«, brüllte Philip. »Said ist mein bester Freund! Ich hätte mein Leben für ihn gegeben.«
»Auch dann noch, nachdem er deine Schwester geschwängert hatte?«
Philip erstarrte. »Woher weißt du davon?«
Der Hauptmann lachte nur. Dann wandte er sich um und verließ die Zelle.
51. Kapitel
S ie sind schon viel zu lange weg.« Lena lief unruhig vor Meret auf und ab. Bei Sonnenaufgang waren Philip und Said aufgebrochen, um mit Bruder Eustache zu sprechen und danach den Imam um das Aufsetzen eines Ehevertrages zu bitten. Inzwischen war die Mittagsstunde vorüber.
»Faruk al-Hamsa ist ein gewissenhafter Mann«, beruhigte Meret ihre Schwiegertochter. »Um Verträge auszuarbeiten, braucht er immer eine kleine Ewigkeit. Und womöglich haben sich Philip und Said auch länger bei Bruder Eustache aufgehalten. Es gab doch so viel zu erzählen.«
»Das mag sein, aber Philip hätte weder Bruder Eustache noch dem Imam erzählt, wo wir in den vergangenen beiden Monaten waren. Wir haben geschworen, das Geheimnis von Djeseru-Sutech zu bewahren.«
Vom Hof her waren Hufschläge und laute Männerstimmen zu hören. Rasch verließ Lena Merets Zimmer und lief über die Treppe nach unten. In der Halle standen drei Männer in der Tracht der Stadtwache vor Mikhail. Einen von ihnen kannte Lena. Es war der Hauptmann, der schon nach Haruns und Constantins Tod bei ihnen gewesen war. Ihr stockte der Atem – würden sich ihre Sorgen bewahrheiten? War Philip und Said etwas Schlimmes widerfahren?
»Nein!«, hörte sie Mikhail brüllen. »Nein, das ist nicht wahr!«
Sie rannte zu ihm, packte ihn am Arm. »Was ist geschehen?«
Mikhail nutzte ihre Gegenwart, um sich auf ihre Schulter zu stützen. Noch nie hatte sie ihn so gesehen, so kraftlos, so voller Schmerz und Verzweiflung, unfähig, ihre Frage zu beantworten.
»Welche Nachricht bringt ihr uns?«, sprach sie also den Hauptmann selbst an. Der maß sie mit verächtlichem Blick von oben bis unten. Erst fürchtete sie, er werde sie als Frau keiner Antwort würdigen, aber dann ließ er sich doch zu einer Erklärung herab.
»Von einem Vatermörder war nichts anderes zu erwarten«, zischte er. »Philip wurde von Zeugen beobachtet, wie er Said al-Musawar erschlug und in den Nil warf. Für diese ruchlose Tat wird er seine gerechte Strafe erhalten.«
Lena starrte den Hauptmann fassungslos an. »Welch ein Unsinn! Philip wäre für Said gestorben, er ist sein bester Freund.«
Der Hauptmann schnaubte verächtlich. »Der edle Abd al-Hisâb wurde Zeuge, wie die beiden in Streit gerieten. Wenn es um die Ehre der Schwester geht, gilt Freundschaft nichts mehr.«
»Was soll das heißen?« Lena sah dem Mann in die Augen, suchte nach seiner Seelenflamme, wollte wissen, ob er sie belog. Doch sie entdeckte nur die gelbe Flamme derer, die mit sich im Reinen waren, wenngleich sie auch einen leichten roten Zornesstich wahrnahm. Dieser Mann glaubte, was er sagte, und hielt Philip für schuldig.
»Der edle Abd al-Hisâb hörte, wie Philip Said vorwarf, seine Schwester geschwängert zu haben.«
Lena erstarrte.
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