Suendenpakt
Wirtschaftsverbrecher verfolgt habe, bis zur Kanzlei Walmark, Reid & Blundell, wo nach dreieinhalb Jahren die Seniorpartnerschaft in greifbare Nähe gerückt ist.
Wisst ihr, wie viele weibliche Seniorpartner es bei Walmark, Reid & Blundell gibt oder gegeben hat? Keine.
Warum marschiere ich dann den Flur entlang zu Tony Reids Eckbüro?
Ist es möglich, dass Tom mit seinem mitternächtlichen Wurf ins Schwarze getroffen hat? Gott hilf mir, dass dem
nicht so ist. Tom hat mir auf hundert Arten das Gefühl vermittelt, das Letzte zu sein, aber ich hätte mir nie träumen lassen, dass er mich auf beruflicher Ebene eifersüchtig machen oder, schlimmer noch, mich in die ethische Ecke manövrieren würde.
Jetzt bin ich nämlich eine gut bezahlte Rechtsberaterin, während er jemanden verteidigt, den er für unschuldig hält - ohne Geld dafür zu bekommen.
Reid winkt mich in sein Büro, wo ich den Stapel eidesstattlicher Erklärungen auf seinen antiken Schreibtisch fallen lasse.
»Es wäre gut, wenn Sie das lesen«, sage ich. »Wenn wir vor Gericht ziehen, wird Randall Kane als rücksichtsloser sexueller Belästiger zur Schau gestellt.«
»Dann können wir nicht vor Gericht gehen«, erwidert Reid.
»Ich kann diesen Mann nicht vertreten, Tony.«
Seelenruhig steht Reid auf und schließt fast geräuschlos die Tür.
»Ich glaube nicht, dass ich ausgerechnet Sie daran erinnern muss, wie wichtig Randy Kane für unsere Kanzlei ist. In jeder Abteilung, von Unternehmensrecht über Immobilien bis zum Arbeitsrecht, berechnen wir ihm Hunderte von Stunden im Jahr. Ein Dutzend unglücklicher Frauen wurde von einem schamlosen Anwalt manipuliert, der sonst nur Krankenwagen hinterherfährt und nur auf seinen eigenen Gewinn aus ist. Sie kennen das Spiel. Und falls diese Frauen zufällig die Wahrheit sagen? Wissen Sie was, meine Damen? Die Welt ist hart.«
»Dann suchen Sie sich jemand anderen, Tony. Bitte, ich meine das ernst.«
Tony Reid scheint über meine Worte nachzudenken.
Schließlich antwortet er in dem gleichen überzeugenden Ton, der ihn zum erfolgreichsten Prozessanwalt von New York gemacht hat.
»Für eine ehrgeizige Anwältin, Kate - und soweit ich weiß, sind Sie so ehrgeizig und talentiert wie alle jungen Anwälte, die ich kenne - gehören Fälle wie dieser zum Ritual des Aufstiegs. Sofern Sie also Ihre Meinung ändern und morgen früh um acht dieses Büro betreten, werde ich Ihnen und unserer Kanzlei den Gefallen erweisen und so tun, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden.«
52
Kate
An diesem Abend gehe ich schon um sieben Uhr nach Hause. Das gab’s noch nie! Vor drei Jahren habe ich mir eine unsäglich teure Zweizimmerwohnung in der Upper West Side oberhalb der Eightieth Street gekauft. Jetzt, nachdem ich mir ein Glas teuren Pinot Noir eingeschenkt habe, sitze ich in meinem Garten und lausche den Geräuschen der Stadt, während die Lichter in den umliegenden Wohnungen eingeschaltet werden.
Über mir wird der Himmel an diesem Abend im späten Oktober langsam schwarz. Ich gehe hinein, um mein Glas nachzufüllen und eine Decke zu holen. Es ist fast perfekt, aber eben nur fast. Also schiebe ich auch meine Ottomane auf die Terrasse hinaus und lege die Füße hoch. Schon besser. Bequem, warm und elend - mein Leben in drei Worten.
In einer Sache hat dieser arrogante Wichser Reid Recht: Ich hätte nicht schockiert sein sollen, dass Randy Kane ein widerliches Arschloch ist. Vor allem reiche Arschlöcher füllen die Schatztruhen von Walmark, Reid & Blundell. Sollte die Kanzlei jemals ein schlagkräftiges Motto auf dem Schild in der marmornen Eingangshalle brauchen, würde ich »McArschloch - der Service für Arschlöcher« vorschlagen.
Aber solche Mandanten möchte ich nicht mehr verteidigen. Wie kam ich eigentlich dazu? Während meines Studiums gab es nichts, was von meinem Karriereziel weiter entfernt war als die Beihilfe zu Wirtschaftsverbrechen. Aber mit meinen guten Zensuren auf der Columbia habe ich
auf die Überholspur gewechselt, wo ich beweisen wollte, dass ich durchhalte, so viel Geld wie möglich scheffle, es so schnell wie möglich zur Seniorpartnerin schaffe und so weiter und so fort.
Während ich im Dunkeln in meinem hübschen Garten und beim dritten Glas Pinot sitze, wird mir bewusst, dass meine märchenhafte Karriere noch andere Konsequenzen hat. Vielleicht ist euch aufgefallen, dass ich heute Abend meine deprimierenden Gedanken alleine durchkaue, statt sie mit einer Reihe lieber, alter Freunde zu
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