Suendiger Hauch
Leid, Edward, im Ernst. Ich habe Ihre Freundschaft immer sehr geschätzt. Es schmerzt mich wirklich sehr, dass ich sie nun verloren habe.«
Einen Augenblick lang stand der ältere Mann einfach nur da, während seine Kiefer mahlten. Dann stieß er einen tiefen Seufzer aus und nickte Litchfield kurz zu. Den Kopf leicht gesenkt, ging er an Lucien vorbei aus der Kirche.
Der Marquis warf Kathryn einen letzten Blick zu. Sie konnte die Verwirrung in seinen Augen sehen, die tiefe Demütigung, die er erlitten hatte, und spürte, wie sich ein Gefühl der tiefen Reue in ihr ausbreitete. Sie hatte lediglich versucht, sich selbst zu schützen, und geglaubt, dass ihr Plan aufgehen würde, sodass sie in einem Jahr denjenigen heiraten könnte, der ihr geeignet erschien. Doch nun musste sie erkennen, dass ihre Pläne für alle Zeiten zerstört waren. Sie fragte sich, ob der Preis, den sie dafür bezahlen musste, es tatsächlich wert war.
Sie wurde sich ihrer Tränen erst bewusst, als sie Tante Winnies Arm um ihre Schultern spürte. »Gib ihm Zeit, mein Liebes. Es wird sich schon alles regeln.«
Doch Kathryn teilte diese Ansicht nicht. Nicht mehr. Während sie zusah, wie der große, schlanke, gut aussehende Mann, den sie gerade geheiratet hatte, aus der Tür trat, wurde ihr mit schmerzvoller Klarheit plötzlich bewusst, dass sie mehr als nur einen Freund verloren hatte. Sie wusste nicht genau, was Allison Hartman für den Marquis of Litchfield empfand, doch in jenem letzten Moment, als sie in das Gesicht ihres Ehemannes geblickt hatte, war ihr voller Entsetzen aufgegangen, dass sie sich unsterblich in ihn verliebt hatte.
Während es draußen in Strömen goss, hob Lucien, der sich auf dem gepolsterten Ledersofa in seinem Arbeitszimmer ausgestreckt hatte, sein Glas mit Brandy, trank den Inhalt mit einem einzigen Zug, bevor er es erneut füllte, es wieder in sich hineingoss und ein weiteres Mal ansetzte, es zu füllen.
Er war so volltrunken wie schon seit Jahren nicht mehr, doch er scherte sich einen Dreck darum. Das katastrophale Szenario seiner Hochzeit war vorüber, und nun war er ein verheirateter Mann.
Ein höhnisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er war verheiratet, nun gut, von einem verdammten Mädchen über den Tisch gezogen, die ihn mit ihrem verlockenden kleinen Körper ausgetrickst hatte. Kathryn Grayson war ein hinterhältiges kleines Luder - ganz im Gegensatz zu Allison Hartman -, und nun war sie seine Frau. Er dachte an die Szene zurück, als Allison mit schmerzverzerrtem Gesicht in der Kirche gestanden hatte, und goss sich einen weiteren Drink ein. Er fühlte sich schuldig, weil er sie verletzt hatte, obwohl es in erster Linie die Peinlichkeit und die Demütigung waren, die ihr zusetzten. Sie liebte ihn nicht. Er war sich nicht sicher, ob sie überhaupt der Typ Frau war, der zu einem solchen Gefühl in der Lage war. Und genau das mochte er am liebsten an ihr.
Um ihre Zukunft war er nicht im Mindesten besorgt. Mit dem Gesicht eines Engels und der Figur einer heranreifenden Frau - und dazu noch der üppigen Mitgift im Rücken - würde es nicht lange dauern, bis sie wieder einen Verlobten gefunden hatte und zu den begehrtesten Kandidatinnen auf dem Heiratsmarkt zählen würde.
Der bloße Gedanke daran ließ seine Wut erneut aufflammen. Wut auf die Frau, die sich dort im oberen Stockwerk befand, und Wut auf sich selbst, dass er sich so hatte zum Narren halten lassen.
Kathryn war für all das verantwortlich. Sie war diejenige, die dieses ganze Durcheinander angerichtet hatte. Doch er tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie nur nach außen hin seine Frau war und er in einem Jahr bereits wieder von ihr befreit sein würde. Er würde ein anderes Mädchen finden, eines wie Allison, eine niedliche, junge Dame edler Herkunft, die ihren gemeinsamen Kindern eine gute Mutter sein würde.
Noch immer voller Zorn, stellte er sein Glas vor sich auf dem Tisch ab. Er griff über die polierte Marmorplatte und nahm die kleine mit Perlmutt verzierte Schnupftabakdose, hob ihren Deckel und nahm eine große Prise Schnupftabak. Die weiße Spitze an seinem Ärmel streifte sein Kinn, als er den starken, süßlichen Tabak in seine Nase zog.
Es kam nur selten vor, dass er sich diesen Genüssen in so ausschweifender Weise hingab. Doch heute, in seiner Hochzeitsnacht, wollte er genau das tun - zum Teufel mit Kathryn Grayson.
In seiner Erinnerung stieg das Bild von jenem Abend in der Jagdhütte auf, von ihrer vorgetäuschten
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