Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
Gesicht ab und rieb die Haare trocken. Dann erst schaute sie an sich herunter und musste selbst über sich lachen. Mit dem nassen Nachthemd hätte sie wirklich genauso gut nackt sein können. Wie gut für sie, dass der Schnitter sie nicht so gesehen hatte.
Noch viel besser war, dass Fürst Sandre sie nicht so gesehen hatte.
Sie ging zur Tür und schloss sie wieder ab. Dann trat sie ans Bett und sank endgültig in die weiche Matratze.
Erst heute früh hatte sie Brimley im Brustton der Überzeugung versprochen, dass sie es vermeiden würde, sich auch nur andeutungsweise in die moricadische Revolution einzumischen. Und jetzt hatte sie den Schnitter in ihrem Bett versteckt! Sie hatte die Aufmerksamkeit von Fürst Sandre erregt! Wer war sie denn? War sie eine verängstigte Gesellschafterin oder eine närrische Heldin?
Und was war schlimmer – die Gefahr, der sie sich zu stellen bereit war? Oder ihr schamloses Verhalten?
Michael stand am Fenster und betrachtete durch die Gitterstäbe, wie die Sonne aufging. Alles in ihm vibrierte vor Anspannung und Erregung.
Heute Nacht war es verdammt knapp gewesen. Bisher war es noch nie so knapp gewesen. Aber nachdem Rickie ermordet worden war, hatte Sandre alle seine Männer darauf angesetzt, den Schnitter zu fangen.
Doch der Schnitter würde nicht aufhören. Nicht, bis er Rache genommen hatte. Bis er für Gerechtigkeit gesorgt hatte.
Michael hatte sich mit der Tatsache abgefunden, dass der Schnitter vermutlich eines Tages gefangen genommen wurde und dann einen schrecklichen, quälend langsamen Tod sterben würde.
Das hatte ihn bisher nicht gekümmert. Aber jetzt … Nachdem er so lange in der kalten, feuchten und engen Dunkelheit gelitten hatte, hatte der Schnitter nun endlich einen Grund gefunden, um zu leben.
Ihr Name lautete Miss Emma Chegwidden.
Michael wandte sich an Rubio und sagte: »Schick eine Nachricht zu Raul Lawrence. Lade ihn ein, mich heute hier zu besuchen.«
»Was ist, wenn er beschäftigt ist?«, fragte Rubio.
»Sag ihm, es sei ein Gefallen, den er einem alten Freund schuldig ist.«
16
»Ihr seht heute aber sehr rosig aus, Emma.« Lady Fanchere lächelte, als sie am nächsten Tag durch den Versammlungsraum schlenderten. »Moricadia tut Euch sichtlich gut.«
Emma errötete. Sie war in Gedanken bei der Gefahr gewesen, der sie sich letzte Nacht gestellt hatte. Und vor allem bei dem Kuss, der folgte. »Ja, Lady Fanchere. Ich bin hier glücklich.« Und es hatte sie sehr gefreut, heute früh nach der vorsichtigen Befragung des Zimmermädchens, das ihr heißes Wasser brachte, zu erfahren, dass der Schnitter unentdeckt hatte entkommen können.
»Die Gegend ist einfach herrlich, findet Ihr nicht?«
Emma schaute sich in dem großzügigen Innern des luxuriösen Gebäudes um. Die Marmorpfeiler hielten die kreisförmige Decke mit der üppigen Bemalung, und die großen Fenster gingen auf das Tal hinaus. Es gab zwei Steinbrunnen. In den einen strömte das heiße Wasser aus der Erde, in den anderen das eiskalte von der Gletscherschmelze. Beiden Quellen wurde nachgesagt, heilende Kräfte zu haben, und im Laufe des Vormittags versammelten sich hier die Reichen, tranken aus Marmorbechern, spazierten umher oder saßen in den Alkoven beisammen. Viele kamen wohl nur her, um in dieser modernen Umgebung des in Sonne getauchten Atriums gesehen zu werden. »Es ist nicht nur die Umgebung, die mich glücklich macht, Lady Fanchere. Es ist die Tatsache, für Euch arbeiten zu dürfen.«
Lady Fanchere lachte melodiös. »Ein sehr hübsches Kompliment. Zumindest, solange ich nicht daran denke, für wen Ihr vorher gearbeitet habt.«
Emma lächelte auch. Sie war in Lady Fancheres Gegenwart so entspannt, dass sie sofort erkannte, dass ihre Arbeitgeberin sie neckte.
»Aber ich schwöre Euch, dass es stimmt.« Lady Fanchere ließ sich nicht so leicht vom Thema abbringen. »Ihr seid fast rot im Gesicht. Was könnte dafür der Grund sein?«
»Vielleicht ist es die Höhe?«
»Nach dem Sturm letzte Nacht ist die Luft hier oben sehr erfrischend«, stimmte Lady Fanchere zu.
Emma spürte, wie ihr Gesicht sich noch mehr rötete. Sie sollte Lady Fanchere lieber bald erzählen, dass Fürst Sandre gestern Abend in ihr Zimmer eingedrungen war. Wenn sie es nicht tat, würde Lady Fanchere es gewiss auf anderem Wege herausfinden, und das würde sie an Emmas Charakter und ihrer Tugend zweifeln lassen. Doch Fürst Sandres Auftauchen war in ihrer Erinnerung so fest mit dem Schnitter verknüpft und
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