Sueße Luegen, Heiße Kuesse
den Kopf klar bekam. Und heute brauchte sie die Klarheit der Bewegung, die Reinheit und Ehrlichkeit des Laufens.
Obwohl die Hitze sie umschlang wie die Umarmung eines überschwänglichen Verwandten, steigerte sie ihr Tempo. Sie lief bis zum Ende der Straße und wandte sich dann nach Osten. Sie erreichte den kleinen Park mit dem Ententeich und lief über die Fußgängerbrücke. Die Sonne glänzte auf dem Wasser und blendete sie. Noch lag das Brummen der entfernten Autobahn in der Luft, aber nach und nach war alles, was sie hörte, ihr eigener, schwerer Atem.
Fast eine Stunde später, als sie endlich umkehrte, schmerzte ihr gesamter Körper von der Anstrengung. Schweiß lief ihren Rücken herab, ihre Kopfhaut juckte, ihr T-Shirt klebte an ihrer Haut und ihre Beine taten weh. Aber sie hatte nicht einmal an Luke gedacht.
An ihrer Straße angelangt hielt sie inne und dehnte die Muskeln, bevor sie in flottem Gang weiterlief. Erst am Ende der Auffahrt stoppte sie.
Der Rasen musste gemäht, die Orangenbäume mussten beschnitten werden. Man müsste mal die Veranda fegen, und die zweite Stufe der Treppe verlangte nach einem Nagel oder zweien.
Während sie tief einatmete, spürte sie die Wärme und absolute Stille des Tages. Sie liebte diesen Ort. Aufgeben und fortgehen wäre, als würde sie sich ein Stück von sich selbst ausreißen. Als würde sie jede gute Erinnerung in diesen letzten zehn Jahren auslöschen.
Wenn Luke ihr das antun wollte, sollte er sich besser auf einen Kampf gefasst machen.
Mit neuer Kraft betrat sie das Haus. Die Zeit war nicht auf ihrer Seite, aber Luke war allem Anschein nach kein geduldiger Mann. Ein, zwei Wochen, dann würde ihm das Warten zum Hals heraushängen, und er würde auf ihr Angebot eingehen. Sie würden sich auf einen Preis einigen, unterschreiben, und sie würde nach und nach ihre Schulden abbezahlen.
Im Warten war sie gut.
„Hey.“
Beth zuckte zusammen, als Luke aus der Küche kam. „Kannst du nicht ein paar Geräusche machen, statt dich anzuschleichen?“ Dann sah sie seinen Blick und seufzte. „Was?“
Er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Wand. „Wir müssen reden.“
Beths erhitztes Gesicht brannte. Was hatte er nun wieder über sie herausgefunden? „Ich muss erst duschen. Ich brauche nur eine Viertelstunde.“
„Wenn nicht, komm ich dich holen.“
Beth drehte sich um und rannte förmlich die Treppe hinauf. Er würde es nicht wagen, in ihr Badezimmer zu kommen. Oder?
5. KAPITEL
In einem armeegrünen T-Shirt und Cargohosen, die feuchten Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, stand Beth zehn Minuten später in der Küche. Luke sah zu, wie sie sich am Wasserhahn das Glas auffüllte und es in einem Zug leerte.
Er schwieg weiterhin, eine Technik, die ihm erlaubte, sie unter Druck zu setzen und zu beobachten, wie unwohl sie sich dabei fühlte.
„Gefällt dir das Zimmer?“, fragte sie schließlich.
„Ja. Danke.“ Dann fügte er hinzu: „Nettes Haus. Viel Platz.“
Sie nickte mit einem schmalen Lächeln. „Deswegen habe ich es genommen. Hier fühle ich mich zum ersten Mal zu Hause.“
Ein Anflug von Schuld durchfuhr ihn. Kein gutes Zeichen, wenn man die Schnüffelei bedachte, die er nur Minuten zuvor noch unternommen hatte.
Er hatte ihren Schreibtisch durchwühlt und hinter die Bücher im Wohnzimmer geschaut, bevor er kurz ihr Schlafzimmer durchsucht hatte. Er war schon drauf und dran gewesen aufzugeben, wenn auch widerstrebend, als er an der Rückwand ihres Kleiderschranks auf Gold gestoßen war.
Wer war Taylor Stanton, und warum bewahrte Beth deren Geburtsurkunde in einer alten Schuhschachtel auf?
Bevor er Selbstzweifel bekommen konnte, hatte er seinen Privatdetektiv Dylan angerufen und die Infos weitergegeben. Jetzt, da Beth ihm am Tisch gegenübersaß, regte sich sein Gewissen, und sein Nacken schmerzte wieder.
„Du weißt, dass du der Bank gegenüber eine offizielle Erklärung abgeben musst“, sagte er.
„Ich weiß.“ Sie seufzte.
„Ich hab ein paar Anrufe gemacht. Wenn wir die Polizei raushalten, muss der Makler sich nicht darum kümmern, wer nun genau der Hauseigentümer ist. Ich werde eine Kopie der Urkunde vom Grundbuchamt bekommen, aber das dauert ein paar Tage. In der Zwischenzeit muss ich mit meiner Tante reden.“
Beth schnaufte. So sehr, wie sie ihn loswerden wollte, so sehr war er entschlossen, alles aufzudecken. Aber als sie beobachtete, wie er mit steifen Fingern sein Haar zurückstrich, stieg eine Welle von
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