Suesse Versuchung
Mutter und ihre weitaus jüngere
Schwester gewesen. Und natürlich die Töchter und Frauen der Bauern und Pächter.
Aber obwohl Sophie als Kind mit ihnen gespielt hatte, waren sie später plötzlich scheu
und höflich geworden. Patrick war zwar ihr bester Freund und Vertrauter bei vielen
Abenteuern gewesen, aber es gab immer noch Dinge, die ein Mädchen einem jungen
Mann nicht anvertrauen konnte. Und Dinge, die sie und Edward betrafen, wohl noch
viel weniger.
Rosalind schnaubte, stupste sie mit der Nase an und suchte in ihren Taschen. Sophie
trug wieder ihren geliebten schottischen Rock und dazu die bequeme, weite
Herrenjacke. Sie hatte vorgehabt, auszureiten. Aber als Mrs. Drarey von dieser
Absicht vernommen hatte, war sie bemüht gewesen, Sophie die Gesellschaft des
Stallburschen aufzudrängen, da es unmöglich für eine Dame wäre, allein auszureiten.
Sophie hatte daraufhin ganz auf den Ausritt verzichtet. Wenn, dann wollte sie ihre
Freiheit genießen, reiten wohin es ihr gefiel und ihr Tempo dabei von Rosalinds
Einfällen bestimmen lassen. Aber bestimmt nicht mit einem Aufpasser im Schlepptau.
Sophie argwöhnte langsam, dass Mrs. Drarey, so nett sie auch war, für Edward
Spitzeldienste verrichtete und die Anweisung hatte, dafür zu sorgen, dass Lady Sophie
nicht ohne Aufsicht das Haus verließ.
Ein Tumult auf der anderen Seite des Hauses, von der Straße her, ließ sowohl
Rosalind als auch Sophie den Kopf in diese Richtung drehen. Lautes Geschrei ertönte,
klang über das Dach und die Stallungen hinweg bis zu ihnen herüber.
Warte hier, sagte Sophie zu Rosalind. Ich schau einmal nach, was da los ist. Sie
lief über die Weide, schlüpfte zwischen den Latten des Gatters hindurch und betrat das
Haus durch die Hintertür.
Als sie in die Halle kam, hörte sie eine Stimme. So dröhnend, durchdringend und tief,
dass Sophie das Gefühl hatte, die Wände würden davon erzittern. Durch das Fenster
neben der Eingangstür sah sie eine Kutsche vor dem Haus stehen und dahinter eine
weitere, bei der mehrere Männer warteten.
Sie sah den Butler, der soeben durch die Halle hastete, fragend an. Mason zog ein
sorgenvolles Gesicht. Admiral Mayfield ist zu Besuch, Mylady. Lady Melindas
Gatte.
Streitet er etwa mit Edward?
Das zu beurteilen steht mir nicht zu, Mylady.
Sophie verdrehte die Augen, aber zum Glück kam Mrs. Drarey, die weniger
zurückhaltend war. Es geht um Lady Melinda, flüsterte sie. Admiral Mayfield ist
soeben von einer Reise heimgekehrt und hat sie nicht in London vorgefunden. Man hat
ihm gesagt, dass sie hier sei. Sie verstummte und warf Sophie einen sprechenden
Blick zu.
Niemand wird mich davon abhalten, meine Frau zu suchen und dem Kerl, bei dem
sie sich aufhalten soll, das Genick zu brechen!, brüllte soeben Edwards Gast mit einer
Lautstärke, die spielend die schwere Eichentür durchdrang, und noch die Fenster in der
Halle klirren ließ.
Was für eine Stimme, sagte Sophie, beeindruckt und besorgt zugleich.
Typisch Seemann, entgegnete Mrs. Drarey. Die schreien alle so.
Ich weiß auch, wo sie sich aufhält! Bei diesem verfluchten Kerl, diesem Hendricks!
Diese Schande lasse ich mir nicht bieten!
Die Stimme kam näher, die Tür zum Arbeitszimmer im Halbstock wurde aufgerissen.
Sophie und Mrs. Drarey drückten sich in schweigender Einigkeit in den Schatten der
Treppe.
Lass die Waffe hier! Das war Edwards befehlender Tonfall.
Der hat es gewagt, mir Hörner aufzusetzen! Ich knalle ihn ab! Wie einen räudigen
Hund! Und dann werde ich gleich dieses Nest ausräuchern lassen! Verfluchter Kerl!
Die Büttel werden ihm schon zeigen, wie man mit solchen Verbrechern umgeht! Pirat
und Ehebrecher! Das ist er!
Eine wuchtige Gestalt stampfte an Sophie vorbei, die Treppe hinunter, durch die
Halle und riss die Tür auf. Mr. Parson! Wir fahren zu dem Haus, in dem Sie ihn
vermutet haben!
Marian Manor, Admiral.
Ja! Dorthin!
Sophie erschrak. Sie konnte doch nicht zulassen, dass Edwards Schwager einen Mord
beging und noch dazu in ihrem eigenen Haus! Sie war sich ziemlich sicher, dass
Melinda sich tatsächlich bei Jonathan Hendricks aufhielt. Sie musste sie warnen!
Draußen hörte sie den Wagen anfahren und lief los, zurück zu Rosalind. Im Stall
packte sie im Vorbeilaufen den Zügel; zum Aufsatteln war keine Zeit mehr, aber das
machte nichts. Sowohl Rosalind als auch sie waren Ritte ohne Sattel
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