Suesse Versuchung
spießiger als dein Mann. Ich würde doch zu gerne wissen,
wie er diese Nachrichten aufnehmen wird. Und er wird es erfahren. Schlimmstenfalls
sogar von diesem Polizisten, der zu mir kam, um mit dir Druck auf mich zu machen!
Melinda nahm ihren Fächer zur Hand und fächelte sich nervös Luft zu.
Es sind alles nur dumme Gerüchte!, begehrte sie auf. Du bist auf schamlose
Übertreibungen hereingefallen, Edward! Das sind keine rauschenden Feste, sondern
lediglich kleine, heimelige Zusammenkünfte.
Edward lachte kurz auf. Orgien wäre wohl ein adäquateres Wort. Und, fuhr er mit
Nachdruck fort, ich weiß, wovon ich rede. Ich war dort, um es mir anzusehen.
Der Fächer vor Melindas Gesicht bewegte sich schneller.
Außerdem gefällt mir deine Beziehung zu Jonathan Hendricks immer weniger, fuhr
Edward unbarmherzig fort.
Das hast du mir schon gesagt! Melinda hasste seine Art, wie er äußerlich gelassen
mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor ihr stand.
Und ich hätte dir noch mehr gesagt, wenn du nicht wie eine Verrückte davongerannt
und fast die Klippen hinuntergesprungen wärst!, fuhr Edward sie an, endlich seine
Beherrschung verlierend. Was ist dir nur dabei eingefallen?!
Vieles. Aber nichts, was Melinda mit Edward besprechen wollte, obwohl er ihr
immer näher gestanden hatte als alle anderen ihrer Familie. Du hast dich verändert,
sagte sie stattdessen indigniert. Früher warst du nicht so kleinlich. Wenn ich da an
deine Abenteuer denke
Du solltest froh darüber sein. Glaube mir, Melinda, wenn ich dich früher bei solchen
Aktivitäten erwischt hätte, wäre Kleinlichkeit eine Eigenschaft gewesen, die Du
herbeigesehnt hättest. Er warf ihr einen drohenden Blick zu.
Du würdest es nicht wagen
!
Das wäre kein Wagnis. Und dein Mann wäre mir noch dankbar dafür. Er klang so
überheblich, dass Melinda am liebsten aufgesprungen wäre, um ihm den Fächer um
die Ohren zu schlagen. Sie zuckte zurück, als Edward dicht vor sie hintrat, sie an den
Oberarmen packte und sanft schüttelte. Es war aber nur die liebevolle Geste eines
besorgten Bruders, deshalb senkte sie den Blick. Melinda, es geht nicht nur um dein
Verhältnis mit Jonathan. Du lässt dich in etwas hineinziehen, das mir nicht gefällt, und
ich auch nicht dulden kann. Jonathan Hendricks Geschäfte sind nichts für dich. Es ist
zu gefährlich, dich mit ihm abzugeben.
Du warst derjenige, der ihn mir damals vorgestellt hat!
Weil ich nicht wusste, was sich daraus entwickeln würde. Oder meinst du, ich würde
meiner Schwester zweifelhafte Liebhaber zuführen? Melinda, sei vernünftig, denke an
deine Ehe und deinen Ruf. Das ist dieses Abenteuer nicht wert.
Meine Ehe! Melinda machte sich aus seinem Griff los. Mein Mann ist doch nie
daheim, jetzt ist er gar auf der anderen Seite der Welt
Das wusstest du, als du seinen Heiratsantrag angenommen hast.
Ja, das hatte sie gewusst. Und dennoch hatte sie ihn geheiratet und nicht nur des
Reichtums willen, den er ererbt und dann noch zusätzlich mit erfolgreichen
Seeabenteuern und Prisen im Auftrag seiner Majestät des Königs erworben hatte. Er
hatte ihr gefallen. Man konnte sogar sagen, dass es zwischen ihnen Liebe auf den
ersten Blick gewesen war. Wie stattlich er doch ausgesehen hatte in der Uniform mit
den goldenen Epauletten. Damals war er noch Captain gewesen, aber bald darauf hatte
man ihn zum Admiral befördert.
Anfangs hatte es ihr geschmeichelt, mit einem Seehelden verheiratet zu sein, von den
anderen Frauen beneidet und bewundert zu werden, aber dann, als ein Jahr nach dem
anderen vergangen war, sie bei den kurzen Landurlauben nicht schwanger geworden
war, hatte sich die Begeisterung gelegt. Und dann waren ihr einige Eskapaden ihres
Gatten zu Ohren gekommen. Sein Benehmen in Ostindien. Seine karibische Geliebte.
Eine weitere, ernst zu nehmende in England. Sie hatte versucht, es zu verstehen, selbst
standhaft zu bleiben, aber dann war sie Jonathans Verführungskünsten gegenüber
nachgiebig geworden.
Sie blickte zu Boden.
Edward hockte sich vor sie hin, nahm ihre Hände in seine und sah sie eindringlich an.
Melinda, bitte, hör auf mich. Lass Jonathan Hendricks.
Was willst du tun, wenn ich ihn nicht aufgebe? Sie suchte in Edwards Augen nach
der Antwort.
Er schüttelte den Kopf. Du weißt genau, dass ich im Grunde nichts tun kann und
werde. Ich kann weder gegen
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