Süßer Pakt der Sünde (German Edition)
„Mr. Pierce
ist nicht nur mein Anwalt und Geschäftsführer, sondern auch mein bester
Freund“, sagte sie, als würde das alles erklären.
Annabelle schaute sie skeptisch an.
Sie hatte den sympathischen, jungen Mann nur kurz gesehen, als er sie mit
Frances aus dem Stift geholt hatte, und konnte sich kaum vorstellen, dass die
beiden nur befreundet sein sollten. Mr. Pierce war ein gutaussehender Mann mit
besten Manieren. Aber sie sollte sich besser zurückhalten in ihrem Urteil.
Alex unterbrach ihre Grübeleien.
„Lassen Sie uns zum Essen gehen. Danach werde ich euch durchs Haus führen und
euch das Personal vorstellen.“
Annabelle nickte und gemeinsam
betraten sie das Speisezimmer. Es war kleiner als das, was Bella von Zuhause
kannte, früher als es noch ein Zuhause gab, dafür aber gemütlich eingerichtet,
mit gepolsterten Stühlen und einem eigentlich recht kleinen Tisch.
Mimi bemerkte ihren Blick.
„Das ist das Speisezimmer der
Familie“, erklärte sie. „Ich hasse es, an der großen Tafel zu sitzen, da muss
man sich förmlich anbrüllen. Ich hoffe doch, es ist euch recht so?“
Sie warf einen Blick in die Runde,
als würde sie mit Gegenwehr rechnen. „Gut“, stellte sie dann zufrieden fest.
Das Abendessen war weit weniger
förmlich, als Bella gedacht hatte. Zuerst einmal saß Frances mit am Tisch, was
nicht üblich war. Zwar hatte Bella nicht wirklich Unterricht in Benehmen
bekommen, aber dass das Personal nicht mit den Herrschaften speiste, wusste
jedes Kind.
Trotzdem war der Abend angenehm. Und
das Gespräch bei Tisch war ziemlich locker. Mimi saß am Kopfende des Tisches,
die Zwillinge teilten sich eine Länge, zwischen ihnen saß Frances und erklärte
ihnen flüsternd die Besonderheiten jeden Ganges, wie man das Gericht korrekt
aussprach und vor allem, wie man es damenhaft aß.
Ihnen gegenüber saßen Mrs. Forbes,
Alex, Henrietta und Bella. Das andere Ende des Tisches blieb unbesetzt.
Alex plauderte fröhlich und erzählte,
dass sie es zumindest mit der Sitzordnung nicht so genau nahmen.
Selbstverständlich wäre das in London ganz anders, aber solange sie hier
zuhause und unter sich waren, war es absolut nicht nötig, förmlicher zu sein.
Ein Gang nach dem anderen wurde
aufgetragen.
Es fiel kein einziges böses Wort,
auch nicht als Henrietta aus Versehen auf Alex‘ Kleid kleckerte. Bella lief tiefrot
an. Wenn das Kleid ruiniert wäre… sie wollte gar nicht daran denken, wie viel
es gekostet haben müsste und welchen Schaden ein Fleck anrichten würde, den man
nicht herausbekam. Natürlich bemerkte sie, dass Mimi und Mrs. Forbes sie mit
Argusaugen beobachteten. Ihnen würde nichts entgehen. Mimi gab Henrietta und
den Zwillingen dann und wann Hilfestellung. Besonders die Vielzahl an Besteck
war für die Mädchen etwas verwirrend.
Sie erzählte nebenbei, welcher Wein
angemessen wäre, doch heute würden sie natürlich nur Wasser oder Limonade
bekommen, schließlich waren sie noch zu jung. Bella hatte ein Glas verdünnten
Wein bekommen, für die Mädchen wäre das erst nächstes Jahr angemessen, und für
Henrietta natürlich noch lange nicht.
Nach dem Essen gingen sie noch kurz
in den Salon, doch die Mädchen waren von der Reise und der Aufregung ziemlich
erschöpft, sodass Mimi sie bald ins Bett schickte.
Frances und Alex kamen mit ihnen und
gingen ihnen geübt zur Hand. Die Situation hatte etwas Unwirkliches, dass eine
Zofe und Alex einem Haufen Waisenkindern halfen, aber inzwischen waren die
Mädchen so müde, dass es ihnen kaum auffiel. Alex musste Henrietta die letzten
Meter förmlich schieben. Liebevoll deckte sie das Mädchen zu. „Miss Alex?“,
murmelte das Mädchen schon im Halbschlaf.
„Ja?“, flüsterte sie.
„Was ist mit Frances Mama los?“
Alex lächelte. Eine so impertinente
Frage war eigentlich ein absoluter Fauxpas, aber das Kind hatte so unschuldig
gefragt, dass man ihr kaum böse sein konnte.
„Du meinst, weil sie nicht spricht?“,
erriet sie.
„Ja. Warum nicht?“, fragte das
Mädchen gähnend.
Alex legte die Stirn in Falten. „Ich
weiß es nicht. Aber wenn du ein Bisschen aufpasst, siehst du, dass sie mit den
Augen spricht.“ Sie tippte Henrietta an die Nase. „Schlaf jetzt, Henrietta.“
Henrietta nickte und war auch schon
fast eingeschlafen.
Gleich darauf begaben Alex und
Frances sich wieder nach unten und überließen die Mädchen ihrem Schlaf.
Während Henrietta und die Zwillinge
rasch einschliefen, lag Bella noch lange wach und dachte über
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