Sukkubus 02 - One Way Ticket in die Hoelle
haften; die Luft war von Spannung geladen. Nach einer Ewigkeit stieß sie zwischen den Zähnen ein Zischen aus – ein winziger, resignierter Laut. Ihre Stimme war bar jedes bösartigen Zorns. »Auch gut. Ich hätte mir denken können, dass man auf die harte Tour bei dir nichts e r reicht.«
Ich blinzelte. »Wie bitte?«
Sie fuhr sich mit ihrer klauenartigen Hand über die Augen. Die schwarzen Schlängchen in ihrem Haar nagten an ihren kralle n besetzten Fingern, vielleicht, um sie ein wenig aufzumuntern. Ohne mich anzusehen, sagte Alekto: »Schön. Dann versuchen wir es eben auf die direkte Art und Weise. Meine Schwester bedeutet dir noch etwas. Das konnte ich gestern an deinem G e sicht ablesen, als du dachtest, ich wäre sie. Du liebst Megaira noch immer.«
»Darüber lässt sich streiten«, erwiderte ich, ganz schwindelig von dem abrupten Wechsel ihres Gebarens.
»Lüg mich nicht an.« Sie nahm ihre Hand herunter und hob den Kopf, bis ihr blutiger Blick dem meinen begegnete. »Deine G e fühle sind dir auf die Seele tätowiert. Ich erkenne die Wahrheit mühelos. Du liebst meine Schwester noch immer.«
»Und wenn schon. Ich habe meine Entscheidung getroffen«, sagte ich in einem Tonfall, der deutlich überzeugter klang, als ich mich fühlte.
»Die falsche. Du musst mit mir mitkommen, und zwar freiwillig und aus eigenen Stücken.«
Eine düstere Vorahnung brachte mein Herz zum Rasen. »W a rum?«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem starren Lächeln. »Ich bra u che dich in der Hölle, damit du Megaira retten kannst.«
Nachdem ich meine Kinnlade wieder hochgeklappt hatte, fragte ich: »Würde es dir etwas ausmachen, das näher zu erklären?«
Alekto seufzte – ein ganz gewöhnlicher Laut. Sie war nicht mehr als eine alte, verkohlte Frau mit blutenden Augen und Schla n genhaar und der Mutter aller Schlangen als Stola. Abgesehen von ihrer Gestalt an sich, strahlte sie keinerlei offenkundige Bedrohung aus. Vorerst nicht. Sie sagte: »Als Megaira dich nicht in die Hölle zurückbrachte, unterwarf sie sich dem Urteil des Königs. Und Er befand sie für schuldig.«
»Vielleicht hat Er dabei eines übersehen. Meg hat mich in den Tod geführt. Sie hat ihre Aufgabe sehr wohl erfüllt.« Pflicht über Freundschaft. Ich bewegte unruhig den Kiefer und rieb meine Zähne so hart gegeneinander, dass mein Mund eigentlich hätte Funken sprühen müssen. Verdammt, selbst einen Monat später schmerzte mich ihr Verrat noch immer.
»Sie sollte dich zurückbringen. Das war ihr Auftrag. Sie hat versagt.«
Die Erinnerung an Megs Stimme, bevor sie mich küsste und dann dem Tod überließ: Wirst du nun mit mir kommen?
Ich erklärte Alekto: »Nein, das stimmt nicht. Meg li eß mir eine Wahl.« Die geisterhafte Erinnerung an Megs Berührung ließ meine Haut kribbeln, und ich schmeckte plötzlich Minze und altes Pergament.
Ihre Schwester starrte mich an, während ihr das Blut aus den Augen rann. Ihr Haar wand sich um ihr Gesicht und mit ihm die kleinen Schlangen, die sich, einer latenten Drohung gleich, in einem fort verwirrten und wieder entwirrten. »Sie hatte nicht das Recht, dir diese Wahl zu lassen. Und nun muss sie deshalb le i den.«
Leiden.
Ich schlang mir die Arme um den Körper, zitternd vor Eiseskälte, die mir die Wirbelsäule hochkroch. Damit ein Höllengeschöpf wahrhaft litt, musste die Strafe besonders grauenhaft sein. Die Galle stieg mir hoch, als mir eine der furchtbarsten Höllenqualen vor Augen trat: Meg in Ketten geschlagen, mit ausgestreckten Gliedmaßen und triefend von Honigmet über einen Dachsbau gespannt. Ihre Schreie wären nicht laut genug, um das Geräusch des sich hinauf - und hinausgrabenden Tieres zu übertönen, das sich langsam durch ihren Körper fraß. Und sobald die Kreatur die Schicht mit der süßen Flüssigkeit durchdrungen hatte, wü r den Megs Wunden heilen und der Dachs durch ein neues Exemplar ersetzt werden, sodass der Vorgang von Neuem b e ginnen konnte.
Wieder und wieder.
Ich flüsterte: »Was tut Er ihr an?«
»Ich habe dich nicht angelogen. Komm mit mir, und ich werde dich zu ihr bringen. Wirst du mit mir kommen?«
Wieder wurde ich von einer Erinnye vor eine Wahl gestellt.
»Warum hast du mich nicht bereits gestern um Hilfe gebeten? Warum hast du mir erst Angst eingejagt, damit ich das tue, was du willst?«
Ihr Mund bildete eine schmale Linie. »Ich bin es nicht gewohnt, von Sterblichen ein Nein zu hören. Und ich habe noch nie zuvor eine Sterbliche um Hilfe gebeten.« Sie
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