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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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Buchladen ein seriöses Werk über die Eroberung der Halbinsel Yucatán zur Zeit der Conquista zu erstehen war. Was es gab, waren ziemlich lausige Publikationen wie etwa Die Geheimnisse der Maya-Kultur eines gewissen Reinhard Kümmerling, in dem kein Wort über die Kultur verloren wurde; der Autor begnügte sich mit miserablen Fotos von Schädeln, halb verfallenen Pyramiden und vom Dschungel überwucherten Ballspielplätzen sowie einer genauen Auflistung darüber, in welcher der verlassenen Städte diese Aufnahmen und die archäologischen Funde gemacht worden waren.
    Eine zufällige Entdeckung brachte mich schließlich aber doch dazu, das Buch zu kaufen. In seiner Einleitung erwähnte Kümmerling beiläufig den Franziskanerbischof Diego de Landa, der, wie sich herausstellte, eine historisch verbürgte Person war und seinerzeit tatsächlich Vorsteher des Ordens in der Stadt Izamal in Yucatán gewesen war. Daneben ging er kurz auf ein gewisses Autodafé in Maní ein, infolgedessen Landa nach Spanien abberufen wurde, wo die höchsten geistlichen Instanzen seinen Fall verhandelten. Später jedoch wurde sein Vorgehen als begründet anerkannt, und Landa kehrte nach Yucatán zurück, das ihm inzwischen zur zweiten Heimat geworden war, um auf seine alten Tage das verdiente Amt des Bischofs anzutreten.
    Leider ging der Text nicht genauer auf die Ereignisse rund um den Guardian des Franziskanerklosters ein, obwohl
der Name Diego de Landa noch an einigen weiteren Stellen auftauchte, zumeist wenn es um die Entzifferung der Schriftzeichen ging, derer sich die Indianer der Maya-Kultur bedienten. Er schien als erster Europäer gelernt zu haben, sie zu lesen.
    Landas Dekodierungssystem erwies sich später jedoch als fehlerhaft. Die Macht des Alphabets hatte den alten Mann zu der Annahme verleitet, die ganze Welt müsse eine vergleichbare Zeichensprache verwenden, auch die Bewohner Yucatáns. Dem von ihm entwickelten, ausgefeilten System zufolge gab es für die »Buchstaben« der yukatekischen Sprache phonetische Entsprechungen, die dem spanischen Ohr geläufig waren. In Die Geheimnisse der Maya-Kultur führte Kümmerling eine vollständige Auflistung dieser Zeichen auf einer Doppelseite an - wohl hauptsächlich um Platz zu schinden, denn schon auf der nächsten Seite verwarf er Landas System, indem er die Kommentare moderner Sprachforscher zitierte: Die Zeichen der yukatekischen Sprache repräsentierten nicht bestimmte Laute, sondern erwiesen sich als Hieroglyphen mit jeweils eigener Bedeutung.
    Ich musste an die von seltsamen Zeichen übersäten Stelen denken, von denen der Autor des Berichts gesprochen hatte. Angeblich hatte er Landa persönlich gekannt, und dieser hatte behauptet, er könne das Yukatekische entziffern. Kümmerlings Büchlein war natürlich nur einer der vielen Versuche, einem Publikum, das sich in erster Linie für UFOs und Loch-Ness-Monster interessierte, die Ergebnisse langwieriger archäologischer Forschung in einer möglichst aufregenden Verpackung zu verkaufen. Doch die scheinbar wertlose Schale barg einen unschätzbaren Kern, ein
süßes Mark, nach dem ich gesucht hatte: die Bestätigung, dass die faszinierende Geschichte, mit der ich mich beschäftigt hatte, keine Fiktion war. Wenn historische Persönlichkeiten darin vorkamen, so war es zumindest wahrscheinlich, dass auch der Autor und Protagonist dieser Geschichte nicht der Fantasie eines Belletristen oder Hochstaplers entsprang, sondern tatsächlich gelebt hatte.
    Die Erwähnung Diego de Landas ließ auch das seltsame Verschwinden jener fünfzehn von Balboa befehligten Soldaten und den furchtbaren Tod des indianischen Führers glaubhafter erscheinen. Dass hier übernatürliche Kräfte im Spiel waren, kam für mich ohnehin nicht infrage; in einem der nächsten Kapitel würde der Autor des Berichts sicherlich offenbaren, was sich tatsächlich zugetragen hatte.
    Hastig blätterte ich den schmalen Band bis zum Ende durch, ohne jedoch auf etwas Wichtiges zu stoßen, stellte ihn in mein Regal und machte mich an die neuen Übersetzungen. Ich nahm mir fest vor, den nächsten freien Tag für ein eingehendes Studium der Conquista sowie der Geografie der Halbinsel Yucatán zu nutzen.
    Die nächsten drei Nächte verbrachte ich mit Pralinen und Zigarren. Sicher hätte ich auch schneller arbeiten können, doch ich zögerte den Tag der Abgabe bewusst hinaus. So war es wahrscheinlicher, dass bei meiner Ankunft im Büro bereits eine dicke Ledermappe mit goldenem

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