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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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Bewohner, die gewöhnlich selbstbewusst und überheblich wirkten, sahen sich jetzt hilflos und gehetzt nach allen Seiten um. Die Lichterketten und die Transparente mit den fröhlichen Neujahrsgrüßen baumelten in Fetzen herab, und ein schwerer, nach Zersetzung riechender Wind zerrte boshaft an ihnen, tauchte sie in braune Pfützen und peitschte sie wieder in die Höhe.
    Das Präludium war vorüber.
    Idiot! Versager! Wie hatte ich bloß diesem ungläubigen, zynischen Schuft einfach so das Tagebuch überlassen können! Viel zu billig hatte ich meine Seele an diesen Ordnungshüter verkauft und dabei, wie so oft, den Kopf in den Sand gesteckt. Ich war auf die alten Tricks des Ermittlers reingefallen, die leeren Worte des Mitgefühls. Was sollte ich jetzt sagen, wenn ich mit leeren Händen im Büro ankam, ohne Übersetzung, ja sogar ohne Original, ein schweißgebadeter, elender, reuiger Judas?

    Wenn mir bloß Nabattschikow nicht zuvorkam und ich das schicke Gebäude, in dem Akab Tsin residierte, erreichte, bevor die Miliz es abgeriegelt hatte! Doch die Milizionäre hatten heute offenbar andere Sorgen, als sich mit irgendwelchen sektiererischen Übersetzern zu befassen. Nirgends waren Anzeichen eines Sondereinsatzes zu bemerken. Die Eingangstür klappte eifrig auf und zu, Menschen huschten geschäftig in das Gebäude hinein und wieder heraus. Ihre sprudelnde Aktivität war durch die Erdstöße kein bisschen gedämpft worden.
    Der Wachmann hatte gerade zu tun, also schlüpfte ich unbemerkt an ihm vorbei, verschwand im Fahrstuhl und drückte auf 4. Die Türen rührten sich nicht, und auch die Kabine verharrte reglos. Seltsam, die Beleuchtung funktionierte. Zur Kontrolle drückte ich auf einen anderen Knopf und stand wenige Sekunden später im zweiten Stock, wo offenbar ein Finanzanalyst seinen Sitz hatte. Doch auch von dort aus kam ich nicht weiter: Der verfluchte Lift reagierte nicht. Ich fuhr wieder hinunter ins Erdgeschoss und versuchte das Treppenhaus ausfindig zu machen - ohne Erfolg. Also musste ich mich doch der Gnade des Wachmanns ausliefern. Den hier kannte ich noch nicht, aber die Uniform war die gewohnte.
    »Irgendwas mit Ihrem Aufzug stimmt nicht«, begann ich ohne Umschweife, in der Hoffnung, ihn damit zu überrumpeln.
    Sein Schnurrbart sträubte sich, und er streckte sich zu voller Größe. »Wie bitte? Wohin wollen Sie überhaupt?«
    »Übersetzungsbüro Akab Tsin , vierter Stock. Aber der Knopf scheint nicht zu funktionieren, der Aufzug fährt da jedenfalls nicht hoch.«

    »Sie machen wohl Witze?«, entgegnete er stirnrunzelnd. »Was für ein Übersetzungsbüro? Wir haben hier nur Banker. Ein solches Büro gibt’s hier nicht und hat es auch nie gegeben, solange ich mich erinnere. Und ich sitz hier schon seit zwei Jahren.«
    Jetzt war es an mir, mich aufzuplustern. »Wenn hier einer Witze macht, sind Sie das! Ich hab doch erst vor ein paar Tagen einen Auftrag dort abgegeben. Ganz sicher: Sie sitzen im vierten.«
    »Was für ein vierter, zum Kuckuck? Gehen Sie mal auf die Straße, junger Mann, und schauen Sie selbst: Dieses Gebäude hat nur drei Stockwerke! Der Knopf hat noch nie funktioniert, der ist nur da, weil es gerade keine anderen Bedientafeln gab, als der Aufzug eingebaut wurde. So, und jetzt auf Wiedersehen!« Er begann mich mit seinem eindrucksvollen Wanst zum Ausgang zu schieben.
     
    Das Haus war tatsächlich dreistöckig. Warum war mir das nicht schon früher aufgefallen?
    Ich zählte mindestens zehnmal nach, ging um das Haus herum und sah es mir von hinten noch einmal an. Zweifelsohne handelte es sich um den gleichen Bau, nur das Schild mit der Aufschrift »Übersetzungsbüro Akab Tsin « war nirgends zu finden. Obwohl mir bewusst war, wie blödsinnig das aussah, rieb ich sogar mit dem Ärmel sämtliche Messingtafeln der anderen Firmen ab - vielleicht gab es da ja eine Maske, oder war es nur eine optische Täuschung? Die ganze peinliche Aktion brachte nichts: Die Tafeln saßen absolut fest, waren sogar schon ein wenig zerkratzt und mit einer leichten Patina überzogen.

    Verärgert spuckte ich aus, trat zurück und stieß mit dem Rücken gegen einen nicht sehr großen, hageren, alten Mann mit einer Mütze, wie sie früher Mitglieder des Politbüros getragen hatten. Angestrengt durch seine Hornbrille blickend betrachtete er genauso ratlos wie ich die Schilder mit den Firmennamen.
    »Sagen Sie, gibt es in diesem Gebäude nicht ein Übersetzungsbüro?«, erkundigte er sich.
    »Vor zwei Tagen gab

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