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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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es das noch«, antwortete ich unsicher. »Glaub ich zumindest …«
    »Ach so. Ja, natürlich …«, sagte er nachdenklich. »Gut, dann muss ich mich wohl anders … Vielen Dank jedenfalls, Sie haben mir sehr geholfen.« Schwankend wie ein Pinguin begann er auf rheumatischen Beinen davonzuhumpeln.
    Offenbar hatte er es ziemlich eilig, denn er bemerkte gar nicht, wie aus seiner Manteltasche ein kleines Stück Papier herausfiel und langsam zu Boden segelte.
    »Warten Sie! Sie haben was verloren!« Doch als ich an der Stelle ankam, wo das Papier im Schmutz der Straße lag, war der schwerhörige Alte schon hinter einer Hausecke verschwunden.
     
    Ich wischte das Blatt sauber und drehte es um. Es war eine mit Füllfederhalter aufgeschriebene Adresse: ein sich allmählich in zwei Kleckse auflösender Straßenname mit Hausnummer.
    ul. Izamny, 23

EL FIN DEL MUNDO

    E in Zufall? Unmöglich. Itzamná - diesen Namen kannte ich besser als den jedes beliebigen anderen indianischen Gottes. Er war einer der obersten Götter der Maya, der Begründer ihrer Kultur, Erfinder der Schrift, Schutzpatron der Gelehrten und Sterndeuter, Gatte der lichten Ixchel …
    Die Gedanken rasten wie wild durch meinen Kopf. Ich fühlte mich wie im Todeslooping einer Achterbahn, Bildfetzen flogen vorbei, kaum zu Ende gedachte Vermutungen; verzweifelt klammerte ich mich an die Haltegriffe des Wagens, während meine Hypothesen und Annahmen immer wildere Spiralen drehten.
    Der Alte hatte das Gleiche gesucht wie ich: ein Übersetzungsbüro, das es dem Wachmann zufolge niemals gegeben hatte, auch wenn ich persönlich mehrmals dort gewesen war. Es spielte also keine Rolle, ob Akab Tsin irgendwo im Äther schwebte oder zur Tarnung in den Keller übersiedelt war, weil man von dem bevorstehenden Auftritt der Miliz erfahren hatte. Entscheidend war, dass zwei Menschen von seiner Existenz wussten: Der eine gab immer wieder Kapitel eines alten spanischen Tagebuchs zur Übersetzung in Auftrag, der andere transferierte diese vom Spanischen ins Russische und lieferte die übersetzten Seiten ab. War das Büro am Ende nur ein Postfach für die Korrespondenz dieser beiden Menschen?

    Soeben hatte ich mit jemandem gesprochen, der genauso wie ich davon überzeugt war, dass es Akab Tsin wirklich gab. Doch wäre die Verbindung zwischen ihm und meiner Arbeit wahrscheinlich gar nicht zutage getreten, hätte der Alte nicht diesen Zettel mit dem Namen des Maya-Gottes verloren. Konnte das noch Zufall sein?
    Etwas sagte mir, dass ich Akab Tsin nie wieder betreten würde. Ich konnte nur spekulieren, ob es daran lag, dass ich die Prüfungen, die man mir auferlegt hatte, nicht bestanden hatte, da ich die mir anvertrauten himmlischen Geheimnisse nicht gehütet, sondern aus Feigheit und geistiger Armut an irdische Mächte preisgegeben hatte.
    Jedenfalls musste ich davon ausgehen, dass für mich nicht die geringste Chance bestand, an ein neues Kapitel zu kommen. Selbst wenn sich die Leute von Akab Tsin nach einem Anruf von der Miliz einfach nur aus dem Staub gemacht hatten. Denn schließlich hatte ich sie nicht nur an die GUWD ausgeliefert, sondern auch noch das Original eines Kapitels verloren.
    Die schwankende Seilbrücke, die mich wie durch einen undurchdringlichen Nebel hindurch mit dem Auftraggeber verbunden hatte, war endgültig gerissen. Man hatte mich der Möglichkeit beraubt, selbst eine Entscheidung zu treffen. Und auf einmal erschien mir der Gedanke absolut unerträglich, vom Streitwagen der Götter herabgestoßen worden und dazu verdammt zu sein, mich bis ans Ende meiner Tage am staubigen Straßenrand meines sinnlosen, durchschnittlichen Menschenlebens entlangzuschleppen. Dabei hatte ich mir doch erst tags zuvor fest vorgenommen, die Arbeit an dem Tagebuch endgültig aufzugeben.

    Nun aber hatte mir das Schicksal - aus Versehen oder aus Mitleid - einen letzten rettenden Strohhalm zugespielt: die Begegnung mit dem geheimnisvollen Auftraggeber selbst oder zumindest mit seinem Kurier. Das durfte ich mir einfach nicht entgehen lassen! Ich spurtete also los, den Zettel fest in der Hand, um den Alten doch noch einzuholen.
     
    In diesen etwas mehr als zwei Minuten hatte der Alte bereits eine erstaunliche Entfernung zurückgelegt, und hätte sich nicht seine altmodische Hammelfellmütze immer wieder zuckend wie der Schwimmer einer Angel über dem Meer von Köpfen gezeigt, ich hätte ihn unweigerlich aus den Augen verloren.
    Ich grub mich in die träge Menschenmasse hinein, stieß

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