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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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und pflegten, dass sie heilende Blätter auf mein verkrüppeltes Bein legten, wodurch der quälende Schmerz gelindert wurde und die Geschwulst verging.
    Dass Verstand und Geist allmählich wieder zu mir zurückkehrten und ich Juan Nachi Cocom rief und ihn auszufragen begann, wie es ihm geglückt war, Vasco de Aguilar und Fray Joaquín zu entkommen und warum er mich aus dem Brunnen befreit hatte. Dass mir der Wegführer mitteilte, wie die Soldaten sich während einer Rast empört hätten, da sie nicht noch einmal den Sumpf durchqueren wollten; dass es jedoch keinen anderen Weg gegeben habe, da der heilige ›sakbe‹, auf dem wir nach Calakmul gekommen waren, nur in eine Richtung führte.
    Dass Vasco de Aguilar versucht habe, die Aufständischen mit Gewalt zu bezähmen, doch dabei von einem Dolch tödlich getroffen wurde; dass daraufhin Juan Nachi Cocom den Augenblick nutzte, das Seil, mit dem er an den Verletzten gebunden war, durchtrennte und sich im Dickicht verbarg. Dass er sich meiner Güte entsann und mich dafür entlohnen wollte und also umkehrte und durch den Wald ging, bis er von Indios aufgehalten wurde, die in der Nähe von Calakmul lebten. Dass diese ihn gefangen nahmen und ihn zunächst töten wollten, doch dass ihr Priester sein Flehen vernahm, die Hinrichtung
unterband und ihn anhörte. Dass Juan Nachi Cocom ihm berichtete, er trachte danach, mich zu retten, und wir hätten beide gelitten, um die alten Handschriften der Indios vor Schmähung und Vernichtung zu schützen, worauf der Priester befahl, seine Fesseln zu lösen und mich aus dem ›cenote‹ zu befreien, trotz des hiesigen Brauchs, dass es für einen Sterblichen aus einem Opferbrunnen keinen Weg zurück geben dürfe, wie auch eine sündige Seele der Hölle nicht entkommt.
    Dass ich in der Folge mit diesem über alle Maßen erstaunlichen Mann, dem Priester, lange Gespräche führte, bei denen wir uns mit Juan Nachi Cocoms Hilfe verständigten. Dass er mir Erkenntnisse mitteilte, die mich und mein Leben veränderten.
    Dass nach den Worten dieses Priesters das heilige Buch der Indios, nach welchem Fray Joaquín im Auftrag Diego de Landas gesucht hatte, für sein Volk der Ursprung großer Not gewesen sei und daher so eifrig vor allen Neugierigen verborgen werde. Dass dieses Buch, genau wie es Juan Nachi Cocom, der letzte Spross einer untergegangenen Königsdynastie, gesagt hatte, eine Sammlung von Weissagungen enthielt, deren wichtigste die Prophezeiung des Weltendes sei.
    Dass das Volk der Indios an die vollkommene Unverbrüchlichkeit dieser Weissagung glaube und dass alle seine Städte und Menschen und Könige in genauer Übereinstimmung mit der Prophezeiung lebten. Dass der Tag, der in jenem Buche als das Ende der Welt beschrieben werde, nach dem Kalender der Indios bereits vorübergegangen sei und sich ein Jahrhundert vor der Ankunft der Spanier in Yucatán zugetragen habe.
    Dass das, was sich an jenem Tage tatsächlich zutrug, das Ende des Volkes der Indios bedeutete und zugleich ihr furchtbarstes Geheimnis und ihre größte Schmach. Denn ihre Priester hatten den Zeitpunkt falsch errechnet und die Prophezeiung war nicht eingetreten. Dass
aber der Glaube der Maya an die Todesbestimmung der Welt, an die Unfehlbarkeit der großen Weissagung und an die Richtigkeit ihrer Magier und Sterndeuter so groß war, dass sie die Prophezeiung selbst erfüllten.
    Dass sie an jenem bestimmten Tage ihre Städte verließen, ihre Häuser verbrannten und in die Wälder hinauswanderten und dass die Staaten und Fürstentümer aufhörten zu existieren und es nur noch versprengte Stämme gab. Dass mit den Jahren die Kunst der Bildhauerei und das Bauhandwerk, in dem die Indios ungekannte Meisterschaft erreicht hatten, sowie ihre Schrift und viele Riten ihres Gottesdienstes in Vergessenheit gerieten. Und dass dieser verfluchte Tag nicht das Ende der Welt, sondern den Tod des Volkes bedeutete. Dass aber jene, die nicht an das Vorhergesagte hatten glauben wollen, als Abtrünnige geschmäht, ihre Wohnstätten zerstört und ihre Siedlungen dem Feuer anheimgegeben wurden.
    Dass mir der Priester des Weiteren berichtete, wie sein Stamm, der vor Jahrhunderten einmal ein mächtiges und ruhmreiches Fürstenhaus gewesen war, Jahr um Jahr tiefer sank und seine Angehörigen sich in Wilde verwandelten, die sich nicht mehr daran erinnerten, dass sie die letzten Hüter jenes heiligen Buches waren, das die Maya zugrunde gerichtet hatte. Dass er selbst dieses Buch von seinem Vater

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