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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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der Adresse: ul. Izamny, 23 . Man erwartete mich dort. Und davon, wie schnell ich diese Straße ausfindig machte, hing weit mehr ab als nur mein persönliches Schicksal.
    Es wäre töricht anzunehmen, dass auf den Karten und Automobilatlanten Moskaus sämtliche Gassen und Gebäude der Stadt eingezeichnet sind. Geheime Orte gibt es hier mehr als genug. Trotzdem hoffte ich noch immer, die Straße zu entdecken, die den Namen des ältesten Maya-Gottes trug, und so kroch ich weiter mit meiner Lupe über die riesige topografische Karte der Stadt hinweg.
    Der Zettel mit der Adresse war der letzte Strohhalm, der mir noch blieb. Es war klar, dass ich zuallererst der Bitte des Auftraggebers nachkommen und das letzte Kapitel aus Casa del Lagartos Tagebuch übersetzen musste. Natürlich konnte ich die fertige Übersetzung auch auf der Theke in der alten Bibliothek zurücklassen, genau dort, wo ich die Mappe vorgefunden hatte, doch der Mann war mir eine Erklärung schuldig. Außerdem hatte er mich zum ersten Mal direkt angesprochen, was darauf hindeutete, dass zwischen uns tatsächlich eine besondere Verbindung bestand und ich
mit einer gewissen Aufrichtigkeit von seiner Seite rechnen konnte.
    Er trieb mich zur Eile, und mir war vollkommen bewusst, dass nur noch wenig Zeit blieb. Aber was änderte das? Mit der Übersetzung eines kryptohistorischen Dokuments konnte man wohl kaum die nahende Apokalypse aufhalten; nicht mal die Superhelden des amerikanischen Kinos waren jemals auf eine derartige Idee verfallen - und die hatten reichlich Erfahrung mit fiebrigen Weltuntergangsszenarien. Auch die indianischen Propheten selbst hatten nichts von der Ankunft eines Messias erwähnt, dessen Rolle ich beanspruchen würde, sofern meine Schreibmaschine nicht wieder ihren Geist aufgab. Hoffnungen machte ich mir keine, so viel war klar. Und doch wusste ich diesmal genau, dass es keinen Weg zurück gab, und ich war bereit, bis zum Ende durchzumarschieren.
    »Finde ihn … Es ist noch nicht zu spät …«
    Wäre die Annahme nicht so absurd gewesen, ich hätte geglaubt, dass es darum ging, den im Sterben liegenden Gott selbst ausfindig zu machen. Doch dazu hätte ich zumindest nach Mexiko fliegen müssen, und ich besaß nicht mal einen Reisepass. Wer kam also noch infrage? Nur ein Mensch war in der Lage, diesen Text richtig zu deuten: jener Alte, dessen Unterschrift »JuK« lautete und der mich in diese fantastische Intrige hineingelockt hatte. Was die Buchstaben wohl bedeuteten? Auf Russisch entsprachen sie jedenfalls exakt dem Anfang des Wortes »Yucatán« …
    Und nun ging es also um die Itzamná-Straße. Eine Straße, die es weder im Moskauer Stadtplan noch im Telefonbuch noch im Autoatlas gab. Etwa zwei Stunden vergingen, bis
ich, völlig erschöpft, aufgab, da vor meinen Augen nur noch blauweiße Straßen- und Boulevardkreuzungen flimmerten und ich keinen Buchstaben mehr entziffern konnte. Wer weiß, vielleicht würde mich der Auftraggeber von selbst finden, nachdem das letzte Kapitel übersetzt war. So wie er es bereits zuvor getan hatte.
     
    Ich verpasste mir eine Kaffeedosis, dass mein Herz zu flattern begann, und tat in den nächsten vier Stunden nichts anderes als das letzte Kapitel zu übersetzen und ins Reine zu schreiben. Das vorherige, von Nabattschikow konfiszierte, konnte ich nur ungefähr rekonstruieren, da ich mir während der ersten Lektüre lediglich ein paar stichwortartige Notizen gemacht hatte.
    Auf das weiche Herz des Majors und seine Hilfsbereitschaft brauchte ich nicht zu hoffen. Es war unklar, warum er noch immer nicht bei mir aufgetaucht war, um eine Erklärung für meine Falschaussage hinsichtlich der Adresse von Akab Tsin einzufordern. Hatte er nicht vorgehabt, das unheilvolle Büro unverzüglich nach unserer Unterredung im Sturm zu nehmen? Sicher war ihm das Erdbeben dazwischengekommen. Doch es würde nicht lange dauern, bis er sich besinnen und sich mir auf die Fersen heften würde - es galt also, jede freie Minute für die Arbeit zu nutzen.
    Mein Nachbar im sechsten Stock besaß, soweit ich wusste, eine elektrische Schreibmaschine. Zu warten, bis ich meine Olympia aus der Werkstatt zurückbekam, hatte keinen Sinn, und das gute alte Stück würde mir diesen kleinen Verrat schon verzeihen. Die Götter waren meine Zeugen,
dass ich es keineswegs zur Reparatur gegeben hatte, um es unter diesem Deckmantel aufs Altenteil abzuschieben.
    Unser Fahrstuhl hatte während der Erdstöße einen Schlaganfall bekommen und hing

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