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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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die berühmten antiken Maya-Städte ging. Und genau dort stieß ich auf aufschlussreiche Informationen, allerdings ganz nebenbei, gleichsam darauf anspielend, dass ein gebildeter Mensch dies natürlich wissen müsse.
    Die Städte der Maya waren allesamt wüst und leer. Doch nicht die Spanier hatten sie vernichtet. Als diese nach Yucatán kamen, lagen die großartigen Palastanlagen und die stolzen, aus gigantischen Kalksteinblöcken errichteten Tempelpyramiden bereits in Ruinen. Chichén-Itzá, Uxmal, Petén, Palenque und Dutzende anderer weniger bekannter Metropolen waren gleichsam über Nacht von ihren Bewohnern verlassen und dem allmählichen Zerfall preisgegeben worden. Lianen und Moos hatten die breiten, mit weißem Stein gepflasterten Plätze und rituellen Arenen überwuchert; diese nahmen mit stoischem Schweigen hin, wie der sich vorübergehend zurückgedrängte Regenwald ohne Hast sein ursprüngliches Territorium wieder zurückeroberte.
    Vergeblich hatten die Spanier versucht, von den Indios in der Nähe zu erfahren, wer die Ruinen errichtet hatte. Die hatten nur mit den Schultern gezuckt. Zu der Zeit, als Cortés
die Halbinsel betrat, war die Zivilisation der Maya bereits derart im Niedergang begriffen, dass von all ihrer Macht und Herrlichkeit nur Ruinen, Götzen und Bücher übrig geblieben waren. Dennoch zelebrierten die letzten Priester noch immer ihre Rituale, ohne den darin verborgenen Sinn wirklich zu verstehen.
    Dies war auch das große Mysterium, mit dem Kümmerlings Büchlein seine Leser zu locken versuchte: Was war mit dieser großen Kultur passiert? In keiner der Chroniken jener Völker, die Mittelamerika besiedelt hatten, war etwas darüber zu erfahren, welches Schicksal die Maya heimgesucht hatte, welch ungeheurer Schlag dazu geführt haben konnte, dass diese Kultur so plötzlich verschwand und ihre Träger innerhalb weniger Generationen erneut zu jenem archaischen Dorfgemeindewesen zurückkehrten, aus dem sie sich in vielen Jahrhunderten mühsam hervorgearbeitet hatten.
    Der Unterschied zwischen jenen Indios, auf die die Europäer bei ihrer Ankunft in Yucatán trafen, und den Maya, die ein gigantisches Reich errichtet, ein komplexes Schriftsystem erschaffen, einen höchst detaillierten, den heutigen an Genauigkeit noch übertreffenden Kalender entwickelt hatten, hätte größer nicht sein können. Die ersten Forscher, die zu den Ruinen von Chichén-Itzá vorstießen, waren absolut überzeugt davon, dass diese Bauwerke von den Israeliten, den Kelten, den Ariern, den Tataro-Mongolen oder sonst wem errichtet worden waren - nur nicht von dem Völkchen, das diese Gegend zu jener Zeit bewohnte.
    Auf die Frage nach den Gründen für den Zusammenbruch der Maya-Zivilisation gab Kümmerling keine ernstzunehmende
Antwort, sondern flüchtete sich in Hypothesen: Eine Epidemie? Eroberungen? Hungersnöte? Eine Trockenzeit und daraus resultierender Trinkwassermangel? Eine hohe Geburtendifferenz zwischen Jungen und Mädchen? All diese Faktoren in Kombination?
    Eine Invasion vom Mars?, setzte ich fort. Ein Krieg gegen Riesentermiten? Auch nicht weniger plausibel. Und tatsächlich, gestand Kümmerling verschämt ein, wisse niemand diese Frage endgültig zu beantworten. In den Chroniken der Maya fanden sich keine Spuren einer Zerstörung, keinerlei Zeugnisse jedweder Kataklysmen. Als der kriegerische Stamm der Tolteken das Gebiet eroberte, befand sich die Kultur der Maya längst im Niedergang. In dieser späten Periode herrschten die Tolteken über die Maya, doch deren Zivilisation lag ohnehin bereits in den letzten Zügen - die Tolteken versetzten ihr nur den Gnadenstoß.
    Ich legte mich schlafen, ohne zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Was nicht weiter verwunderlich war, immerhin hatten vor mir bereits Generationen von Historikern und Archäologen dieses Rätsel zu lösen versucht; entsprechend gering war die Chance gewesen, dass mir dies innerhalb eines Abends gelingen würde.
    Egal, schließlich warteten auf mich weitere Geheimnisse. Spätestens morgen, wenn ich dem Übersetzungsbüro das vierte Kapitel des Konquistadorenberichts abgeluchst hatte, würde ich einem interessanten Gespräch mit dem Wegführer Hernán González lauschen, das sicherlich Licht in diese Expedition brachte. Ich war gespannt, welche Rätsel er für mich entschlüsseln würde.

    In der folgenden Nacht ließen mich die Maya-Priester in Ruhe. Als ich die Augen wieder öffnete, war es draußen bereits Tag.
     
    »So schnell?«, wunderte

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