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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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Bogens, wird jetzt schlaff, und blutverschmiert und ausgeweidet fällt er die Stufen hinab wie ein ausgestopfter Balg und wird am Fuße der Pyramide von Dienern fortgetragen.
    Da ist noch etwas. Die Haut des Gefangenen ist, soweit sich das durch die verkrustete Schicht aus Blut und Schmutz erkennen lässt, weiß. Der kräftige Hals sowie das gestreckte Kinn sind mit dichtem Barthaar bewachsen …
    Abrupt setzte ich mich im Bett auf. Mein Herz hämmerte in der Brust, als hätte man soeben versucht, es mir auszureißen. Das Kissen war feucht und kalt vor Schweiß. Trotz der vier Meter hohen Decke meines Zimmers hatte ich ein beklemmendes Gefühl der Enge. Ein paar Minuten
lang widersetzte ich mich dem absurden Verlangen, die Fenster aufzureißen, doch dann sprang ich auf und schob den Riegel beiseite. Die feuchte, kühle Herbstluft schwappte herein, und nach zwei Atemzügen war ich wieder klar im Kopf.
    Draußen war es hell. Am Himmel hingen dichte graue Wolken, durch die sich die matte Scheibe der Sonne schemenhaft abzeichnete. Es war zehn Uhr morgens. Gewöhnlich schlief ich bis drei, aber heute war daran nicht zu denken. Oder redete ich mir das nur ein? Fürchtete ich, in diesen Alptraum zurückzukehren, wenn ich wieder einschlief?
     
    Noch immer schwirrten in meinem Kopf trübe Fetzen meiner nächtlichen Vision herum, also schlüpfte ich in meine Pantoffeln und schlurfte in die Küche, um sie mit Kaffee zu verscheuchen.
    Wie Menschenopfer für die Azteken und Maya, so war für meine Großmutter die morgendliche Tasse Kaffee ein bedeutungsschweres Ritual gewesen. Die Zubereitung hatte sie mit großer Kunstfertigkeit durchgeführt - wenn man sechzig Jahre lang jeden Morgen die gleiche Handlung vollzieht, werden die Bewegungen am Ende geradezu filigran. In früheren Zeiten lagerte sie dank einer freundschaftlichen Beziehung zu Kuba stets ein paar riesige, beige und braun lackierte Dosen Kaffee in ihrer Kammer. Der Markenname war expressiv und durchaus kubanisch: ¡Café Hola! Eine dieser noch versiegelten Dosen entdeckte ich später, nachdem ich eingezogen war; vielleicht hatte meine Großmutter sie für den Fall eines neuen Weltkriegs aufbewahrt. Das
Aroma war natürlich längst verflogen, so dass ich die Bohnen wegwerfen musste, doch die Dose selbst behielt ich. Seither bewahre ich meine eigenen Vorräte ausschließlich darin auf, und wenn ich sie morgens aufmache und den weichen Kaffeeduft einatme, muss ich immer an meine Großmutter denken.
    Auch ihr gesamtes übriges Arsenal hat sie mir hinterlassen: eine mechanische Kaffeemühle aus Holz, eine kupferne Turka sowie kleine Porzellantässchen mit chinesischem Dekor. Am meisten genieße ich den Vorgang des Mahlens: Ich gebe ein paar Kaffeebohnen in den Trichter und beginne, wie bei einem Leierkasten, die schwere Messingkurbel zu betätigen. Zuerst dreht sie sich nur langsam und widerspenstig, doch je mehr Bohnen zu aromatischem Staub zerrieseln, desto einfacher geht es. Schließlich ziehe ich dieses anrührende hölzerne Schubfach heraus und kratze das gesamte Pulver in den Kaffeekocher. Habe ich diesen aufs Feuer gestellt, so darf ich ihn keinesfalls unbeaufsichtigt lassen - sonst steht anstatt genüsslicher Verkostung dieses anregenden Morgentrunks Plattenscheuern auf dem Programm.
    Wenn alles endlich erledigt ist, verschafft mir der Kaffee ein unvergleichliches Wohlgefühl, allein schon deshalb, weil seine Zubereitung so viel Mühe gekostet hat - da wäre es doch eine Sünde, ihn nicht zu genießen. Großmutter hatte Recht: Wozu dieses furchtbare Instantgebräu? Selbst meine elektrische Kaffeemühle habe ich inzwischen entsorgt.
    Diese Art von Zeremonie hat aber noch einen anderen wichtigen Effekt: Ich gehe vollkommen in den einfachen,
mechanischen Bewegungen auf, mein Geist ist ganz und gar darauf konzentriert. Das Ritual ließ mich auch diesmal nicht im Stich: Mit jeder Drehung der Kurbel zog sich der kalte Alptraumnebel, der noch in meinem Kopf herumwaberte, weiter zurück, und als schließlich das schwindelerregende Aroma von dem Kännchen aufstieg, hatte die Wirklichkeit das Trugbild endgültig verdrängt.
    Ohne Zweifel bezog sich der verdammte Traum auf jene Expeditionsteilnehmer, die anscheinend von Ureinwohnern gefangen genommen worden waren. Der Autor des Berichts hatte diese Episode nur ganz nebenbei erwähnt - keine Ahnung, warum sie sich mir so sehr eingeprägt hatte. Am meisten wunderte mich, wie detailgenau ich die Hinrichtung des Gefangenen erlebt

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