SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
beiden an und mimte den verzweifelten beraubten Touristen. Er bat die verduzt dreinblickenden Herrschaften aus Wisconsin, ihm doch bitte ein Smartphone und eine Prepaid-Simkarte zu besorgen. Der Vorwand, dass die Schweizer partout seinen Pass nicht akzeptieren wollen und dass das Ehepaar vielleicht die besseren Karten hätte, zeigte Wirkung. Kurze Zeit später hielt Havering ein nagelneues Mobiltelefon in der Hand und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Er öffnete einen zusammengefalteten Zettel, den er aus seiner Manteltasche geholt hatte, und tippte die drei Telefonnummern, die darauf standen, in das Adressbuch des Telefons ein. Als Namen erfasste er dazu eine einzelne Person mit einem Vermerk.
Sean Wynter Embassy
8
Die Lobby des Hotels mit der Lounge aus dunkelbraunen Ledersesseln und dem separaten Bar-Club wirkten feudal und modern zugleich. Der langgezogene kubische Bau des Entrees war komplett in Glas gehüllt. Die Verspiegelung der riesigen Scheiben auf der Straßenseite schirmte das erlesene Klientel von unerwünschten Blicken ab.
Tony stand an der Lobby-Bar des Garden Palace und schlürfte einen Sea Breeze. Er schmeckte exzellent. Wenig Cranberry-Saft, nicht zu süß, ausreichend Wodka, und die Aromen der frisch gepressten Pink Grapefruit vollmundig entfaltet.
Der beste Drink seit Langem. Hätte gut Lust, mir noch den einen oder anderen zu genehmigen. Aber ich sollte wohl besser wachsam bleiben.
Er bestellte sich ein Tonic Water und schob den Sea Breeze beiseite. Der Duft des Drinks vermischte sich mit dem Geruch von Leder, frischen Blumen und verschiedenen Eau de Parfums im Raum.Tonys Hände waren feucht, kalter Schweiß tropfte von seinen Achselhöhlen in sein Unterhemd, der Druck in seiner Brust nahm Minute für Minute zu wie vor einem Staatsexamen. Tony fühlte sich unbehaglich in der Rolle des Undercover-Agenten. Vince hatte ihn die letzten 36 Stunden zwar gut auf den Einsatz, wie er es nannte, vorbereitet. Aber so recht Gefallen gefunden hatte Tony an seiner Aufgabe bisher noch nicht. Oberflächlich betrachtet, schien der Auftrag, die Lobby im Auge zu behalten, nicht sonderlich schwierig. Auch die Anweisung, im Falle eines verdächtigen Anzeichens sofort Vince auf seinem Handy anzurufen, um ihn zu informieren und von der Stelle wegzulotsen, war kein Kunststück.
Beim Gedanken daran, mit wem sich Vince in der Vergangenheit rumgetrieben hatte, wurde es Tony jedoch alles andere als warm ums Herz.
Nichts anmerken lassen! Niemand kennt mich hier. Ganz ruhig!
Er nahm einen Schluck und stellte das elegante hohe Glas wieder auf die Bar zurück. Seine Hände zitterten ganz leicht, er steckte sie in seine Hosentaschen.
Tonys Blick wanderte durch den hohen Raum. Das Licht war angenehm gedämmt, und die zwei Dutzend fein verarbeiteten massiven Holzkuben, umringt von teuren dunklen Ledersesseln, waren zu zwei Dritteln besetzt. Die Kundschaft bestand mehrheitlich aus gutbetuchten Herrschaften, Frauen und Männern, und einigen Managern in Maßanzügen.
Dieses Bild kommt mir irgendwie bekannt vor. Erinnert mich an die Business Clubs und In-Bars in Manhattan. Fehlt mir fast ein bisschen. Mein guter alter, nach Geld, Abfall und Parfüm riechender Moloch von einer Heimatstadt. Wer hätte das gedacht!
Tony schaute auf das Ziffernblatt seiner Air Command und seufzte. 21.38 Uhr.
Er guckte zu seinem Weggefährten hinüber: Vince saß mitten im Raum allein an einem der kniehohen Holzkuben, ein gutes Dutzend Schritte entfernt von der Bar. Er hatte die Beine übereinandergeschlagen, hielt eine Financial Times mit beiden Händenaufgeschlagen vor der Brust. Ab und zu blickte er sich im Raum um, nach diesem LJ Ausschau haltend.
Wie der wohl ausschauen mag?
Tony gab sich Mühe, seinen Angestelltennicht allzu auffällig lange im Blick zu behalten, und beobachtete das Volk an der Bar. Hinter dem massiven Holztresen türmten sich hunderte von Flaschen entlang der langen Gestelle an der Mauer. Dezent hinterleuchtet.
Wahrlich ein Meisterwerk, dieses Raumdesign!
Tonys Blick fiel auf einen bulligen Asiaten, wahrscheinlich ein Japaner, der ebenfalls alleine an einem der Kuben weiter hinten in der Lounge hockte und die Szenerie still beobachtete. Vor ihm stand ein Tumbler-Glas mit einigen Eiswürfeln und einer klaren Flüssigkeit.
On the rocks. Der Samurai mag seine Drinks pur. Was er wohl trinkt? Wodka vielleicht? Wohl kaum, die vertragen doch keinen Schnaps. Schaut ja finster aus
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