SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
preisgeben durfte. Saunders wollte sich gar nicht vorstellen, was ihm geblüht hätte, falls er es trotzdem getan hätte. Die Stillschweigens-Verpflichtung galt auch für die Zeit nach absolvierter Dienstzeit. Saunders kannte dies bereits von seiner Zeit bei den Elitetruppen der US-Streitkräfte. Auch damals unterlagen sämtliche Veröffentlichungen von Erfahrungen, Erlebnissen oder Einzelheiten vergangener Missionen einem rigiden Verbot, unter Androhung von drakonischen Strafen.
Ein dumpfes Klopfen am Eingang riss ihn aus seinen Gedanken. Saunders ging zurück in sein luxuriöses Zimmer. Er öffnete die Tür einen Spalt breit.
Es war Nummer eins. Der Mann trat ein und nickte Saunders zu. Er schloss die Tür hinter sich: «Es geht los! Wir fahren zum Zollfreilager. Sie und Nummer zwei geben mir Geleitschutz wenn, ich die Ware abliefere. Nummer vier wird eine Weile ausfallen. Ich habe mir seine Wunde angeschaut, nichts Ernsthaftes. Der glatte Durchschuss hat das Gelenk nicht verletzt. Trotzdem ärgerlich! Sehr ärgerlich sogar! Wir werden in nächster Zeit zu dritt auskommen müssen.»
Nummer eins schaute auf die Uhr.
«Punkt 1500 Stunden fahren wir los. Wir treffen uns unten beim Wagen.»
«Verstanden!»
Nummer eins blickte Saunders an, als könnte er glatt durch ihn hindurchsehen. Seine Stimme klang klar, ohne übermäßigen Groll oder irgendeine Arroganz. «Das ist der vorerst letzte Teil unseres Auftrages. Ich erwarte äußerste Disziplin.»
Mit diesen Worten machte Nummer eins rechtsum kehrt.
Saunders ging in seine Ankleide, nahm den schwarzen Veston vom Kleiderbügel und streifte ihn über. Er trat vor den mannshohen Spiegel und prüfte seine Erscheinung. Er hob die auf dem Nachttisch liegende SIG P26 mit seiner linken Hand auf, mit der Rechten das dazugehörige Magazin. Er schob das Magazin in die Pistole und betätigte den Schlitten. Er sicherte sie und steckte sie in seinen Schulterhalfter.
Auf dem Weg nach unten in die Tiefgarage musste er auf einmal wieder an Lt. Mansfield denken. An seine ehemaligen Kameraden. An jenen Abend im Gefecht. Ob sie die Detonation überlebt haben?
Der Aufzug bewegte sich zügig nach unten. Saunders spürte eine Schwere auf der Brust, ein Anflug von Reue stieg in ihm auf. Hör auf zu denken! Es war nötig und richtig.
Er steckte seine Hände die Aussentaschen seines Sakkos. Seine Linke ertastete einen Zettel darin. Wohl eine alte Quittung oder sowas. Kann mich nicht erinnern, etwas hier reingesteckt zu haben.
Er holte das kleine Stück Papier hervor. Es war viermal gefaltet, ein kurzer Text war aufgedruckt.
«Lassen Sie sich nicht täuschen, Saunders! Oder soll ich Sie Porter nennen? Ihr Leben ist diesen Leuten keinen Scheißdreck wert. Seien Sie auf der Hut! Wenn Sie auch nur einen falschen Schritt tun, lassen die den Molosser auf Sie los. Der Mann ist wie ein Schatten. Machen Sie keinen Fehler. Sonst enden Sie wie die anderen. Zufällig verunglückt. Von einem Laster zerdrückt im eigenen Auto. Von einem Einbrecher erschossen. Vom Balkon gestürzt. Sie kennen die Methoden. Vernichten Sie diese Nachricht umgehend! Und zu niemandem ein Wort. Ich weiß Bescheid.»
Saunders Blick wurde starr. Etwas fiel in ihm zusammen. Ihm wurde schlecht.
Viertes Kapitel
帰虎
(Die Rückkehr des Tigers)
1
Takeda öffnete die Tür zu seiner Wohnung im 29. Stock eines Hochhauses im südlichen Teil des Shiodome-Distrikts und trat ein. Das Viertel war eines der modernsten von ganz Tokyo und lag nahe an der Bucht.
Es war Mittwochabend.
Drei Tage waren seit dem Mord an seinen Oyabun vergangen, der Leichnam in die Hauptstadt überführt worden. Die Untersuchungen am Tatort waren abgeschlossen, und die Resultate der Autopsie durch die Rechtsmediziner, die im Auftrag des kai an einem geheimen Ort durchgeführt worden war, würden bald vorliegen. Danach konnten die Bestattungsriten in die Wege geleitet und der große Kumichou zu seiner letzten Ruhe gebettet werden.
Takashi Kimura hätte kein Staatsbegräbnis gewollt, er war trotz seiner der Yakuza angemessenen Härte und Skrupellosigkeit ein stolzer und fokussierter Mann gewesen. Entsprechend waren nur die Mitglieder des Rats der Weisen, einige Verwandte und enge Freunde des Gonagawa-kai über die Zeremonie unterrichtet worden. Sie war auf den frühen Morgen in zwei Tagen angesetzt. Bisher hatte noch niemand vom Attentat erfahren, mit Ausnahme des innersten Zirkels des Syndikats.
Takeda stellte seinen kleinen
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