Summer Sisters
zum ersten Mal die Wahrheit.
»Und, seid ihr noch zusammen?«
Er seufzte, als wären ihre Fragen bedeutungslos und irgendwie nervig.
»Zusammen? Keine Ahnung. Wir hängen zusammen ab, klar.«
»Sie sagt, du wärst ihr Freund. Bist du das?«
Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Beruhigen Sie sich, Frau Rechtsanwältin. Ich hab keine Ahnung, was sie sagt. Woher soll ich das wissen?«
Langsam wurde Jo sauer. »Dann will ich es mal so formulieren: Wenn ich ihr erzählen würde, dass du mir schon den ganzen Sommer lang deine Zunge in den Hals steckst - hätte sie damit ein Problem?«
Zach fuhr sich hektisch durch die Haare. Jetzt lächelte er nicht mehr.
»Mensch, Jo. Lass das.«
Bis zu diesem Augenblick hatte sie wirklich geglaubt, er dächte, sie hieße Goldie.
Stunden später verwandelte sich der Sonnenschein in blasses rosa Licht und Ama verlor alle Hoffnung. Sie ging jetzt langsamer und bereitete sich innerlich auf ihren vorzeitigen einsamen Tod vor.
Wenn sie wenigstens den Weg zum Lager von gestern Abend wiederfinden würde. Denn nach stundenlangem panischem
Herumrennen war ihr eines klar geworden: Wenn die Gruppe mitbekam, dass sie fehlte, würde sie jemanden zum Lager zurückschicken - dem letzten Ort, an dem die Gruppe vollzählig gewesen war. Aber dort würden sie sie nicht finden. Wenn sie einfach ausgeharrt hätte, wäre sie wahrscheinlich längst entdeckt worden und müsste sich jetzt nicht auf ihren vorzeitigen einsamen Tod vorbereiten. Aber sie hatte nicht ausgeharrt. Schon vor Stunden hatte sie jede Orientierung verloren. Sie wusste weder, wie man zum Lager zurückkam, noch wohin die Gruppe gegangen war. Es ist egal, ob ich laufe oder nicht, sagte sie sich. Aber sie lief trotzdem weiter.
Auf einer kleinen Lichtung sah sie endlich einen Wegweiser. Ihr Herz begann so wild zu klopfen, dass sie eine Hand auf die Brust legte, um es daran zu hindern, herauszuspringen.
Oder war der Wegweiser eine Fata Morgana?
Ama stolperte darauf zu und hielt sich mit beiden Händen daran fest, um sicher zu sein, dass er echt war.
Es war eine Wanderkarte. Darauf waren sämtliche Wanderwege durch den Nationalpark verzeichnet, aber auch - was noch viel wichtiger war - die nächste Ranger-Station.
Ob es die Station noch gab? Ob sie besetzt war?
Ama prägte sich die Karte gründlich ein und ging dann schnell weiter. Beiläufig registrierte sie, wie leicht es ihr mittlerweile fiel, sich anhand der Wegmarkierungen zu orientieren. Der Weg schwand nur so unter ihren Stiefeln dahin. Falls sie wieder Blasen hatte, spürte sie sie nicht.
Als sie die Holzhütte sah, hätte sie beinahe angefangen zu jubeln. Sie schleuderte ihren Rucksack zu Boden, rannte zur Tür und hämmerte dagegen.
»Es soll bitte jemand da sein«, flehte sie die Tür an. Hatte sie das jetzt laut gesagt oder nur gedacht? Ihr war alles egal. »Bitte, bitte, bitte.«
Als die Tür geöffnet wurde, erschrak sie so sehr, dass sie fast in den Raum fiel. Ein riesenhafter Mann um die fünfzig in grüner Rangeruniform stand vor ihr und starrte sie an.
Ama versuchte, sich zusammenzureißen. »Meine Gruppe ist ohne mich losmarschiert. Ich hab mich verlaufen«, stieß sie hervor.
Sie hätte gern etwas mehr Haltung gezeigt, aber das schaffte sie nicht. Ihr Atem ging stoßweise.
Der Ranger ließ ihr Zeit, bis sie sich beruhigt hatte. Dann nannte er ihr seinen Namen - Bob - und stellte ihr eine Reihe von Fragen. Anscheinend waren ihre Antworten nicht völlig wirr, denn er zeigte auf das Telefon auf dem Schreibtisch.
»Ruf an, wen du willst. Ich werde in der Zwischenzeit mal die Nummer von der Organisation heraussuchen, mit der du unterwegs bist.«
Er ging in den Nebenraum und ließ sie allein am Tisch vor dem altmodischen Telefon sitzen.
Mit zitternder Hand hob Ama den Hörer ab und wählte ohne nachzudenken die Nummer von zu Hause. Sie sah ihre Mutter vor sich und hörte schon fast ihre Stimme. Hoffentlich heulte sie nicht los, bevor sie alles erklärt hatte.
Aber ihre Mutter hob nicht ab. Niemand hob ab. Der Anrufbeantworter schaltete sich ein.
Ama sprach stockend eine Nachricht darauf, hinterließ die Telefonnummer der Ranger-Station, die zum Glück auf dem Telefon stand, und bat ihre Eltern, sofort zurückzurufen.
Wo war ihre Mutter? Was war heute überhaupt für ein Wochentag? Wie spät war es in Bethesda? Sie wusste nicht genau, wie groß der Zeitunterschied war - zwei oder drei Stunden? In welchem Bundesstaat war sie noch mal?
Was für
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