Summer Sisters
sah einfach umwerfend aus. Seine sonnengebräunten Wangen waren leicht gerötet, was ihn unschuldiger aussehen ließ, als er war. Wie fast immer blitzten seine Augen übermütig. Er stand lässig und völlig entspannt vor ihr und verströmte eine Selbstsicherheit, die fast ansteckend war.
Jo überlegte, wie sie verhindern konnte, dass er sie küsste, aber eigentlich wollte sie das gar nicht. Sie wollte von ihm geküsst werden. Sie würde alles nehmen, was er ihr gab. Sie konnte nicht anders. Sie wollte jetzt hier sein und nirgendwo sonst. Sie wollte nicht mehr denken müssen.
Zach beugte sich vor und küsste sie und sie ließ es zu. Er schlang die Arme um sie und presste sie fest an sich.
So küssten sie sich.
Jo dachte gar nichts mehr.
Sie spürte seine Hände unter ihrem T-Shirt, warme Hände auf ihrer nackten Haut. Ihr Herz hämmerte. Ich will nicht denken . Ich will nicht reden. Ich weiß gerade nicht, wie man Nein sagt.
Es waren nicht Zach oder seine tastenden Hände, die sie zum Nachdenken zwangen, sondern ein Ruf und knirschende Schritte auf dem Sand ganz in der Nähe.
Jäh aus ihrem Traum gerissen, blickte sie auf und starrte direkt in das Gesicht eines Mädchens. Drei weitere Mädchen standen ein paar Meter weit weg.
Zach ließ sie los und trat ein Stück zurück.
Jo erkannte das Mädchen, es war Violet. Sie war so dicht an sie herangekommen, um zu sehen, mit wem Zach sich hier rumtrieb. Jetzt ging sie zu ihren Freundinnen zurück.
Jo erkannte Effie. Und Megan und Sheba. Die Mädchen sahen sie schweigend an.
Plötzlich platschte ein großer kalter Tropfen auf Jos Kopf und riss sie aus ihrer Erstarrung.
Oh Gott. Was hatte sie sich dabei bloß gedacht? Knutschen unter der Strandpromenade, geschmackloser ging es ja wohl kaum.
Jo wusste instinktiv, dass es für ein Mädchen wie Effie eine Katastrophe war, in Gegenwart ihrer Freundinnen zu entdecken, dass ihr Freund sie betrog. So war es ihr unmöglich, irgendetwas zu beschönigen oder die Situation mit Zach unter vier Augen zu klären. Niemand würde ihr glauben, dass Zach in Wirklichkeit nur sie liebte - sie hatte vor allen anderen ihr Gesicht verloren.
Jo hatte Zach vorhin nicht geglaubt, dass Effie nicht seine Freundin war, aber jetzt zweifelte sie noch mehr an ihm. In seinem Blick war von Übermut nichts mehr zu erkennen.
»Ich geh jetzt«, sagte sie leise zu ihm.
Unter den Blicken aller warf sie den Kopf in den Nacken und ging nach Hause.
Sie fühlte sich so leer, als hätte sie ein paar Krümel von einem schmutzigen Fußboden aufgelesen und sich vorgemacht, es sei ein Festmahl. Ihr war, als hätte sie seit Tagen nicht mehr richtig gegessen.
Sie wünschte, sie könnte ihre Traurigkeit irgendwie in die Vergangenheit oder in die Zukunft verschieben; sie wollte darauf zurückblicken, als wäre sie längst vorbei, oder sich erst später damit auseinandersetzen, aber der Schmerz umfing sie hier und jetzt.
Wie deprimierend, dass sie sich so erniedrigt hatte - und wie traurig, dass sie es tatsächlich nötig gehabt hatte, so billig ihr Glück finden zu wollen.
»Maman?«
»Ama?«
»Ja.«
»Was ist denn? Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Ja, es geht mir gut.« Diesmal kiekste ihre Stimme nicht.
»Maureen hat mir erlaubt, das Satellitentelefon zu benutzen.«
»Wo bist du? Ich dachte, du wärst jetzt schon auf dem Weg zum Flughafen. Nein?«
»Wir sind immer noch im Yosemite-Park. Maman?«
»Ja?«
»Ich glaube, ich komme heute Abend doch noch nicht zurück.«
»Ama! Pourquoi pas? Est-ce qu’il y a un problème? Sie fahren dich doch zum Flughafen, oder? Die Buchung ist bestätigt worden.«
»Ja. Ich weiß. Sie würden mich ja auch fahren. Aber ich glaube, ich sollte hierbleiben.«
»Ama! Warum?«
Ama schwieg. Sie war froh, dass niemand sonst zuhörte.
»Weil ich den Kurs abschließen sollte.«
»Du schuldest denen doch nichts! Du kannst tun, was immer du willst.«
»Ich weiß. Du hast recht. Und... genau das will ich ja.«
» Du willst bleiben? Aber du hast doch gesagt, du findest es da schrecklich.«
Ama seufzte. »Du hast ja recht. Ich weiß. Ich bin mir auch gar nicht so sicher, wie sehr ich es wirklich will. Am Ende des Kurses gibt es eine Art Prüfung - das Abseilen -, vor der ich mich richtig fürchte. Trotzdem hab ich das Gefühl, dass ich bleiben sollte. Nicht wegen den Betreuern oder wegen euch, sondern wegen mir. Verstehst du? Ich glaube, es ist wichtig für mich, dass ich bleibe.« Ama dachte an das, was
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