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der Mandiranei! Gib mich frei, und ich verspreche, dein Leben zu schonen.« Demonstrativ verschränkte sie die Arme vor der Brust.
Nach einer kleinen Ewigkeit, die genauso gut eine Stunde wie eine Minute gewesen sein konnte, stand Seiya in der gleichen Pose da, ohne dass etwas passiert war. Gerade wollte sie zu einer Drohung ansetzen, als die Welt vor ihren Augen barst. Auf ihrer Netzhaut explodierte schmerzhaftes Rot, und Seiya fühlte sich fallen. In ihrem Oberschenkel brannte ein stechender Schmerz, den sie nur hilflos registrieren konnte. Das trockene Chitin der Scheren drückte gegen ihre Wangen, presste sie zusammen, bis sich Seiyas Kiefer unter dem Druck öffneten. Durch die Schlieren vor den Augen sah sie Rr’b’trrs Gesicht abstoßend nahe. Schleim tropfte aus seinem Insektenmaul auf ihr Kinn und rann den Hals hinunter.
»Willkommen in der Tiefe«, sagte der Insektoid akustisch und telepathisch. »Trägerin der Sonnenkraft.«
Rr’b’trr riss die Klaue aus ihrem Oberschenkel, ließ sie achtlos zurückkippen und kehrte ihr schwungvoll den Rükken. Während Seiya kraftlos zu Boden sank, entfernte sich ihr Peiniger mit klackenden Geräuschen. Über ihr geriet der Insektenschwarm in Aufruhr, kreiste in wilder Wut. In seinem Zentrum flüsterte Seiya ein einziges Wort: »Shanija.«
Als der Druck in ihrem Kopf anstieg, begann sie zu schreien. Ihre Gedanken zerfaserten, stoben auseinander, als wären sie eine Herde Schafe, in der sich der Herr der Fäulnis manifestiert hatte.
Die junge Frau hieß die Dunkelheit mit einem letzen spitzen Schrei willkommen.
Dunkelheit. Jadegrün und matschbraun.
Ein führerloses Heer aus Insekten wirbelte darin herum, quälte Seiya mit wütendem Surren und zerbrach jeden Gedanken, der in ihrem Kopf Gestalt annahm. Erst viel später klang das Brausen langsam ab.
Seiya lag auf der Seite und krächzte heiser. Ihr Mund formte unhörbare Worte. Am liebsten hätte sie hinausgeschrien, dass Rr’b’trr die Falsche hatte! Shanija war doch die Trägerin der Sonnenkraft!
Unbeholfen richtete sie ihren Oberkörper auf. Das Schwindelgefühl und die Schmerzen in ihrem Kopf peitschten hoch und senkten sich wieder. Mit kurzen Atemstößen verharrte sie und dachte an ihre Freunde. Wo waren sie jetzt? Würden sie nach ihr suchen, und – würden sie
hier
nach ihr suchen? Wo immer
hier
auch sein mochte. Noch nie hatte Seiya von einem Ort wie diesem gehört, noch nie ein Wesen wie Rr’b’trr gesehen.
Die Wunde im Oberschenkel machte sich bemerkbar.
»Das darf nicht wahr sein«, flüsterte sie rau. »Ich bring ihn um.«
Ohne Vorwarnung brauste der Schwarm wieder hoch und ließ ihre Gedanken zerbersten. Verzweifelt presste Seiya die Handflächen gegen die Ohren.
»So helft mir doch«, schluchzte sie und kippte zur Seite. Wellen aus Schmerz und Verzweiflung durchliefen ihren zukkenden Leib. »Helft mir!«
Feine Chitinbeine huschten über ihre Füße, und als sie die harten Gliedmaßen der Insekten an Ohren, Nase und in den Haaren spürte, kreischte sie.
2.
Vor Shanijas Augen verschwamm die Landschaft in der flirrenden Hitze. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und betrachtete die Felsbrocken, die aus dem festgebackenem Sand ragten. Eine Gesteinsformation durchstieß die Oberfläche und wand sich wie eine gigantische Schlange mehrere hundert Meter weit, um abrupt wieder im Sand zu versinken. Ein Omen? Oder ein wirkliches Wesen? Es hätte Shanija kaum überrascht, wäre dieses Gebilde plötzlich mit einem kräftigen Schwanzschlag unter den Sand abgetaucht. Nicht nach alldem, was sie in der letzten Zeit erlebt hatte.
»Wüsten. Steppen. Sand. Hitze. Ich brauche nichts davon, aber hier auf Less scheint es alles im Überfluss zu geben. Besteht denn dieser Mond nur aus Wüsten?«, murmelte sie.
Als hätte ein göttliches Wesen Shanija erhört, wurden die kargen Sandhügel plötzlich weniger, stattdessen hoben sich Plateaus in unterschiedlicher Größe und Höhe aus dem Boden. An den Kanten fielen sie steil ab, manche grenzten an den Steilhang eines noch höheren Plateaus. Shanija wählte einen Kurs, der das Weiterkommen erleichterte und weiterhin in die Richtung führte, in der sie ELIUM vermuteten. Vereinzelt ragten verdorrte Pflanzenstiele und welkes Gestrüpp aus dem Boden. Es war Shanija schleierhaft, wovon sich diese Pflanzen ernährten. Ihnen jedenfalls ging langsam aber sicher der Proviant aus.
Stunden verstrichen, in denen sich die Gefährten wortlos durch die karge
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