SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
schmerzte. Wie viele Stunden waren seit dem letzen Besuch Rr’b’trrs vergangen? Sie wusste es nicht. Wie oft war Rr’b’trr bei ihr gewesen? Zweimal? Dreimal?
Seiya konnte sich nur erinnern, dass jedem Besuch Schmerzen folgten, wenn tausende Chitinkörper gegen ihren Leib prallten und sich mit Mandibeln an ihr festbissen. Ihr Körper musste übersät sein von roten Flecken und Wundmalen. Seiya verdrängte den Gedanken und wagte nicht, ihren geschundenen Körper abzutasten.
Sie hielt inne und hob den Kopf. Nur vereinzelt brummten grüne Leuchtpunkte durch den Raum und der Druck in ihrem Kopf lastete nicht mehr so schwer. Die Diener Rr’b’trrs mussten wie er telepathisch veranlagt sein, denn ihre Attakken orientierten sich zumeist an ihrem wachsenden oder versiegenden Widerstand.
Seiya kroch ein Stück weiter, über die knackenden Chitinpanzer der Käfer, die sie in den vergangenen Stunden erdrückt hatte, hinweg auf eine schillernde Pfütze zu. Schon Stunden zuvor hatte sie die Pfütze bemerkt, nur war sie zu der Zeit nicht durstig gewesen. Nicht so wie jetzt.
Unsicher streckte sie die Hand aus und tastete in die Pfütze. Es schien tatsächlich Wasser zu sein. Sie zog sich ein kleines Stück weiter und setzte mit den Lippen auf die Oberfläche. Bewusst vermied sie es, an der sandig und herb schmekkenden Flüssigkeit zu riechen. Sie löschte den Durst, dann rollte Seiya sich auf den Rücken.
Sie vermisste Mandiranei, und auch ihre Familie. Lebten ihre Eltern noch, oder hatte ihr Bruder sie tatsächlich töten lassen? Früher hatte sie oft auf ihrem in Seegrün gehaltenen Himmelbett gelegen und von ihrem Prinzen geträumt, während sie den geschmeidigen Seidenstoff unter den Fingerkuppen ertastete. Sie musste lächeln. Wie kindlich und naiv sie doch gewesen war. Ein hübscher Bursche sollte es sein, etwas rau und draufgängerisch ebenfalls, er musste zärtlich sein und für sie die Drachen vom Himmel holen. Er war groß und ruhig. Ein Fels in der Brandung.
So vertieft in Gedanken war sie gewesen, während ihre Hände ihren Körper umschmeichelten, um ihr Trost zu spenden, dass sie das böse Brummen über sich erst jetzt bemerkte. Wütend pulsierte giftiges Grün durch den Insektenwirbel, der sie umschloss. Trotz der wunden und kratzenden Stimmbänder schrie sie auf. »Helft mir! Shanija, As’mala …«
Als wäre dies ein Signal gewesen, zog sich der Wirbel enger, und die ersten Käfer verfingen sich in ihrem Haar. Seiya konzentrierte sich instinktiv und reflexartig, um die Insekten zu vereisen, doch nichts passierte, wie jedes Mal. Aber der Angriff legte nochmals an Heftigkeit zu. Tausende harte Chitinbeine scheuerten über ihre Haut, und Beißwerkzeuge gruben sich in ihr Fleisch. Seiya presste verzweifelt die Hände vor den Mund.
Ihr letzter Schrei war noch nicht verhallt, als sich der Schwarm plötzlich zurückzog. Seiya blickte hoch und erkannte Rr’b’trrs Umrisse in der Türöffnung. Es schien ihm schwer zu fallen, sich wie ein Humanoid auf dem Boden fortzubewegen. Mit ungelenken Schritten stakste er zu Seiya. Neben ihm befand sich ein Wesen, das sie erschauern ließ.
Die Erinnerung an den Tag der Entführung lebte schlagartig auf, als sie das Gebilde aus violettem Schleim wiedersah. Ein unförmiger Tropfen aus wabernden Schlieren. Tentakel formten sich, trieben von der Unterseite nach oben, um wieder mit dem Körper zu verschmelzen. An der Spitze entstand eine Kerbe, und als wäre es die Schale einer Frucht, kippte die Schicht nach außen, bildete sich zu Gliedmaßen und hob den Körper an, der im Mittelteil zu einem Tentakelhaufen zerfaserte und an der Oberseite einen menschlichen Schädel ausformte. Die deformierte Fratze ließ die Kinnlade weit nach unten klappen und weitete das Maul. Noch immer war die Oberfläche unruhig, Auswüchse formten sich, wanderten über den Körper des Formwandlers und verschwanden.
Seiya war von diesem Formwandler entführt, verschluckt worden. Sie konnte sich erinnern, wie ihre Bewegungen damals in diesem Schleim kraftlos wurden, wie die Kraft aus ihren Gliedern strömte, und wie es dunkel wurde.
»Nein«, flüsterte sie und schüttelte den Kopf. »Nein!« Ihre Stimme wurde lauter und schien ihr widersinnigerweise Kraft zu geben. Rücklings kroch sie von diesem Wesen fort. Unter ihren Händen knirschten Chitinpanzer, die Innereien der Käfer blieben an ihren Händen kleben.
Aus dem violett schimmernden Wesen schossen drei oberschenkeldicke Stränge auf sie
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