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Gabe haben?«, fragte sie lauernd.
»Ja«, antwortete As’mala prompt. »Ich weiß, du glaubst mir nicht. Aber du wirst es feststellen, wenn sie eines Tages zutage tritt.«
»Allerdings, ich glaube dir nicht, denn immerhin bist du nicht in der Lage, dich zu befreien«, erwiderte Shanija kühl.
»Hast du schon genau hingesehen?« As’mala wedelte mit ihrer Hand. Zu ihren Füßen herab hingen lose die Ketten. Nun musste Shanija innerlich doch ein wenig schlucken. Wie hatte sie das geschafft? »Das organische Zeugs kann ich nicht loswerden«, fuhr die Diebin fort. »Zumindest nicht diese Nacht, denn es ist erst der zweite Vollmond, aber vielleicht morgen. Bei Tageslicht ist einiges anders.«
»Was gibt es für Möglichkeiten der Psimagie?«, wollte Shanija wissen. Sie fühlte sich unbehaglich, denn möglicherweise hatte As’mala Recht. Es würde erklären, warum Shanija sich seit der Landung nicht mehr ganz wie sie selbst fühlte. Es
hatte
sich etwas verändert, das sie schon die ganze Zeit beunruhigte, und es lag nicht nur an ihrer Verbindung zu Pong. Der Durchgang durch die Sonne hatte etwas in ihr ausgelöst, das bei dem Eintritt in dieses System verstärkt und verfestigt worden war.
»Alles«, gab As’mala grinsend Auskunft. »Es wird dir nicht schaden«, fügte sie tröstend hinzu.
Offensichtlich konnte die Diebin Shanijas Gefühlszustand erkennen, obwohl sie seit der Kinderzeit eine undurchdringliche Maske zeigte und ihr Empfinden nie offenbarte. Sie musste ihr Vorurteil mehr und mehr revidieren.
Die blonde Frau fuhr fort: »Telepathie, Telekinese, Hypnose, Schlösser knacken, Wasser zu Wein …«
Ein fernes Summen erklang, aber Shanija achtete nicht darauf. Der wandernde Müllhaufen hielt sich stets so, dass Fathom immer in seinem Rücken war und sein langer Schatten seinen Schritten voraus fiel. Unten wieselte und wibbelte es, Ameisen und Ratten waren eifrig mit dem Sammeln beschäftigt, und zwischendurch erklang das eine oder andere klägliche Quietschen. Es gab hier durchaus Leben und »Abfälle«. Möglicherweise näherten sie sich einer Zivilisation und konnten auf Hilfe hoffen.
As’mala allerdings wurde plötzlich nervös, als das Summen lauter wurde. »Oh, sie schlüpfen«, stellte sie fest und fing hektisch an, an ihren Fesseln zu rütteln, die sich daraufhin eng zusammenzogen. Augenblicklich stellte sie ihre Bewegungen ein und erschlaffte, woraufhin der Zug lockerer wurde.
Shanija hatte dies mit zunehmender Nervosität beobachtet. »Wer schlüpft? Was ist los?«
»Die
Sch!tings
«, antwortete As’mala mit einem Schnalzlaut. »Die Königin hat hier drin ihr Nest und wird von den
Antiins
ernährt. Sie legt Hunderte Eier, und daraus schlüpfen Arbeiterinnen, die sich umgehend auf die Suche machen.«
»Nach Nektar, hoffe ich«, meinte Shanija.
»Schön wär’s«, versetzte As’mala mit einem zitternden Klang in der Stimme.
»Etwa Blut?«, rief Pong und klatschte begeistert in die Krallenhände. »Ich hab keins!«
Das Summen wurde ohrenbetäubend laut, und dann brachen sie aus den Eingeweiden des Schrotthaufens hervor. Handtellergroße Stechmücken mit zwei schmalen Flügelpaaren, riesigen schillernden Facettenaugen und fünf Zentimeter langen Stechrüsseln. Shanija brauchte keinen Dolmetscher, um As’malas Flüche zu verstehen.
»Dammichnocheins!«, trompetete Pong. »Die saugen euch in Nullkommanix leer! Aber keine Angst, Mädels, ich rette euch!«
As’mala schlug bereits wild um sich, wohingegen Shanija nicht die geringste Chance hatte, sich zur Wehr zu setzen. Die ersten Stiche ertrug sie noch ruhig, aber dann begann sie genauso wie die Diebin zu schreien. In Scharen fielen die blutgierigen Monster über die Frauen her, die Stiche ihrer dicken Rüssel schmerzten, und das Antigerinnungssekret, das sie in die Wunden träufeln ließen, brannte wie Feuer. Beide Gefangenen bluteten bereits aus mehreren Wunden, und der Geruch des süßmetallischen Saftes steigerte den Blutrausch und brachte die Insekten halbwegs zur Raserei. Sie behinderten sich gegenseitig in ihrer Gier, fielen sogar übereinander her, während Schlauere neue Stiche setzten oder gierig an bereits geöffneten Wunden saugten.
Der kleine Schmuckdrache gab sein Bestes. Er sauste unermüdlich zwischen den beiden Frauen hin und her, zerschmetterte die Mücken mit peitschenden Schwanzschlägen, schnappte zu und schlug mit blitzenden Krallen. Obwohl er kaum länger war als die Insekten, wütete er furchtbar unter ihnen,
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