SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
ohne dass sie sich gegen ihn zur Wehr setzen konnten. Er spie sogar Feuer.
Zu Dutzenden stürzten die Blutsauger ab, nicht selten in Stücke gerissen, und lenkten einige der Brutschwestern ab, aber nicht alle. Es waren zu viele. Das Summen war zu einem unerträglichen, brausenden Lärm angestiegen, der sämtliche anderen Geräusche erstickte. Die warmblütigen Rattenartigen hatten längst die Flucht ergriffen und sich ins Innere des Haufens zurückgezogen, wohingegen die Antiins reiche Ernte hielten, die Leichen aufsammelten und eifrig zum Hort zurückbrachten, um sie dem Kreislauf wieder zuzuführen. Die abgestürzten Mücken, die noch lebten, wurden kurzerhand mit den scharfen Kauwerkzeugen getötet.
Shanija wurde schwindlig, und auch As’malas Bewegungen erlahmten sichtlich. Es war abzusehen, dass Pong es nicht schaffen konnte; auch ihn verließen allmählich die Kräfte, und er konnte nur noch Rauch husten.
Der Kampf schien verloren.
Mit aufgerissenen Augen starrte Shanija einer Mücke entgegen, die mit ausgestrecktem Stechrüssel genau auf ihr Gesicht zuhielt.
In diesem Moment ging Flavor auf. Der erste gleißende Sonnenstrahl tastete über den Horizont und schob sich rasch weiter nach oben. Schlagartig verschwand der nächtliche Schatten des wandelnden Abfallturms, verwandelte sich in den Tagschatten und wurde nach hinten geschleudert.
Die mit schwirrenden Flügelpaaren herannahende Mücke erstrahlte im hellen Licht des Morgens, glitzerte und leuchtete in metallischem Blau und Rot, und … zerplatzte.
Shanija blinzelte verblüfft, doch es war keine optische Täuschung. Überall, wohin die Sonne traf, zerplatzten nun die Mücken wie zu stark aufgeblasene Luftballons. Die anderen flüchteten sich in die Schatten und beeilten sich, das Innere ihres Horts zu erreichen, wo niemals Tageslicht hinkam. Auch die Antiins strömten in Scharen zurück, und für einige Augenblicke stöhnte und zitterte der Turm, wackelte und bebte und kämpfte um sein Gleichgewicht, bis jeder an seinem verborgenen Platz war.
Der Turm verharrte. Geisterhafte Stille kehrte in die schmerzenden Ohren ein. Bis Shanija ihr eigenes lautes Keuchen bewusst wurde. Über ihr hörte sie As’malas Stöhnen und war besorgt; seltsam, schon nach dieser kurzen Zeit fühlte sie sich der Schicksalsgefährtin verbunden. Sie hatten die Schrecken der Nacht gemeinsam durchlitten und einigermaßen überstanden.
»Alles in Ordnung?«, krächzte sie.
»Keine Sekunde zu früh«, antwortete As’mala und lachte heiser. »Pong, hilf mir mal, wir sollten keine Zeit mehr verlieren, bevor die
Pignicks
aufwachen.«
»Wer … wer ist das schon wieder?«
»Die Tagaktiven. Du möchtest ihnen nicht begegnen.«
Shanija verdrehte den Kopf und schaute blinzelnd nach oben. Ihr Körper brannte, aus einigen Wunden sickerte immer noch Blut, der Rest klebte an ihr. Sie sah, wie Pong mit Zähnen und Klauen die organischen Fesseln bearbeitete, die sich im Tageslicht nicht mehr zur Wehr setzten. Shanija spürte, dass ihre Verschnürungen erstarrt waren und nicht mehr auf jede Bewegung reagierten. Kurz darauf war As’mala frei und kletterte langsam, ächzend, mit steifen Gliedern zu ihr herunter. Die blonde Frau war nicht weniger durchtrainiert als Shanija, hatte aber wohlproportionierte weibliche Formen und wirkte dadurch kräftiger als die schlanke, sehnige Shanija. Sie verstand es, sich vorteilhaft zu kleiden, das war auch bei der ziemlich in Mitleidenschaft gezogenen Lederkleidung noch erkenntlich. Sie strahlte trotz der Erschöpfung Selbstbewusstsein und eine seltsam heitere Zuversicht aus. Eine Abenteurerin und offensichtlich auch Kämpferin, die das Leben zu nehmen wusste. So jemandem war Shanija noch nie begegnet, nicht einmal innerhalb des Militärs. Die Menschen der
Sunquest
mussten von anderem Schlag gewesen sein.
Keine Ahnung, wie As’mala sie befreite, die Diebin schien die Ketten nur kurz zu berühren, aber kurz darauf fielen die Fesseln auch von Shanija ab, und sie hangelte hastig nach einem Halt. Ihre Muskeln zitterten, als sie sich an das Gestell klammerte, und ihr Pulsschlag beruhigte sich erst nach einer Weile. Pong, der völlig erschöpft war, kroch ungelenk zu Shanija zurück, machte es sich an seinem Platz auf dem Dekolleté bequem und fiel in Starre.
Derweil setzte sich auch der Schrotthaufen wieder in Bewegung, langsam und rasselnd, wie ein altersschwaches, aber unermüdliches Uhrwerk. »Was nun?«, flüsterte Shanija. Nun, da sie frei war,
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