SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
ein. Er streckte die Hand aus, riss das Stilett aus einer Schlaufe von As’malas Wams, und durchtrennte mit einem blitzschnellen Schnitt den peitschenden Fangarm. Dann bückte er sich und zerfetzte auch den anderen, der As’mala soeben in die Tiefe zerren wollte.
Das Wasser begann zu brodeln und zu kochen, als Massen von Raubfischen sich unverzüglich auf das verwundete Seemonster stürzten.
»Machen wir, dass wir rasch über diese Enge kommen, solange die Bestien beschäftigt sind!«, riet Borschkoj.
Das ließ sich As’mala nicht zweimal sagen und brachte sich auf die andere Seite in Sicherheit. Als sie alle die gefährliche Stelle überbrückt hatten, hielt Borschkoj As’mala sein Stilett mit dem Griff voran hin.
»Danke für die Leihgabe«, sagte er grinsend.
As’mala nahm das Stilett zögernd an sich – sie schien überrascht darüber, dass Borschkoj die Situation nicht zu seinem Vorteil genutzt hatte. Das ließ ihn offensichtlich in ihrer Achtung steigen.
Sie erwiderte sein Grinsen. »Ebenfalls danke für meine Rettung.«
»Das ist also die Anlegestelle der Fähre«, stellte Shanija fest, die sich umsah. »Da müsste sich doch was machen lassen …«
Vor ihnen lag eine kleine, offenbar künstlich angelegte Bucht mit einer Hafenmauer aus übereinander geschichteten Felsen, die mehr als eine Mannshöhe aus dem Wasser ragte. Dazwischen erhoben sich in willkürlichen Abständen eine Reihe von Pfählen aus dem Wasser, insgesamt sechzehn, die bis zu fünf Meter hoch waren. Ihr Zweck war nicht ersichtlich; vielleicht sollte die Fähre mit Tauen daran festgezurrt werden, falls sie für längere Zeit anlegte.
Als Shanija Borschkoj darauf ansprach, sagte dieser achselzuckend: »Bei mir hat die Fähre nicht festgemacht. Wir wurden abgeladen, dann dampfte das Boot umgehend wieder ab. Das Ganze hat nur wenige Augenblicke gedauert.«
»Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen«, meinte Shanija. »Wie viele Leidensgenossen waren bei dir?«
»Zwei. Die Galgen sind seit einiger Zeit meistens voll besetzt.«
»Und was ist aus ihnen geworden?«
»Die haben es nicht geschafft. Der eine flog zu kurz und landete im Wasser … mehr brauche ich dazu wohl nicht zu sagen. Der andere wurde gegen einen der Pfähle geschleudert, rutschte ab und erlitt dasselbe Schicksal.«
»Was haben wir denn da!«, rief As’mala staunend aus. Sie war weitergegangen und deutete nun auf den felsigen Boden, der übersät war mit unterschiedlich dicken Schnüren. Sie bückte sich und hob ein Seil auf, das etwa zwei Meter lang war. »Borschkoj«, rief sie über die Schulter und spannte die Schnur über dem Kopf. »Was ist das?«
»Wahrscheinlich Fesseln, die Gefangene abstreifen konnten. Oder die von den Fischen verschmäht wurden.«
»Gut für uns, ein paar von denen wirken noch recht stabil.« As’mala wandte sich Shanija zu. »Was meinst du dazu, die Schnüre zusammenzubinden, dass sie lang genug sind, um die Fähre zu erreichen? Mit einer Wurfschlinge an einem Ende könnten wir sie dann irgendwo am Schiff festmachen …«
Shanija nickte. Sie blickte auf den See hinaus, wo die Dampfwolke, die die Fähre ausspuckte, sich kaum vergrößert hatte. »Gute Idee«, meinte sie zustimmend. »Wie es dann weitergeht, werden wir sehen, wenn die Fähre eingetroffen ist.«
»Das könnte funktionieren«, sagte auch Borschkoj. »Nur Wurfschlinge benötigen wir keine. Stattdessen nehmen wir meine Skorre, die du als Gürtel benutzt.«
»An die Arbeit«, entschied Shanija.
Sie sortierten die längsten Schnüre aus, die mindestens zwei Meter maßen, und wurden ausreichend fündig. Nachdem sie einen genügend großen Vorrat angesammelt hatten, begannen sie mit dem Zusammenbinden. As’mala und Shanija blickten immer wieder auf den See hinaus, um zu prüfen, wie nahe die Fähre bereits gekommen war. Sie konnten beruhigt feststellen, dass ihnen bis zum Eintreffen noch genug Zeit blieb, ihre Vorbereitungen zu treffen. Immerhin war unter der hoch aufsteigenden Dampfwolke die Fähre bereits als kleines Objekt zu erkennen.
Als jeder von ihnen ein Seil von etwa dreißig Metern Länge geknüpft hatte, war die Fähre inzwischen deutlich zu erkennen. Und sie wurde umso rascher größer, je näher sie kam. Ihr schlanker, hoher Bug durchteilte das Wasser mit hoch aufschäumender Gischt, die sich vom Blut der sich zerfleischenden Wasserbewohner rot färbte. Unterhalb der Seelinie mussten sich unbeschreibliche Szenen abspielen.
Auch am Heck ging es nicht
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