SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
Gesicht. Der lamellenartige Atemschlitz, der das Gesicht des Fioren zwischen dem dritten Auge und dem schmallippigen Mund teilte, zitterte unbeherrscht.
Was wisst ihr, was ich noch nicht weiß?
, fragte sie sich.
Die beiden Draawen näherten sich dem auf einem schenkeldicken Holzbalken festgezurrten Gefangenen, indem sie ihre wurmförmigen Körper abwechslungsweise zusammenzogen und wieder vorwärts schoben.
»Die Bibliothekare haben bisher keinen direkten Kontakt«, sagte Mun.
Der Vorsteher des Archivs blickte konzentriert auf die beiden Draawen. Seine rechte Hand hielten aber die Finger seiner Frau Seiya, als wolle er sie so schnell nicht wieder loslassen.
»Deshalb wird der junge Darren uns behilflich sein«, erklärte Luur überraschend.
»Was soll das heißen?«, fuhr Shanija auf.
»Er hat viel bei uns gelernt«, antwortete einer der Fioren. »Es war sehr wichtig, dass er
begreift
.«
»Weil er die Verbindung hatte.«
Shanija schaute ihren Sohn an. »Verbindung?« Aber sie ahnte es bereits. Es hatte ja schon angefangen, bevor sie abgereist war. Sein Alptraum über den Dunklen Mond, seine fremde Stimme.
»Shanija …« Mun kam an ihre Seite. »Darren hatte Kontakt … zu Nur-Eins.«
Es traf sie wie ein Schlag. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. »Was … wie viel …«
»Es waren immer nur kurze Momente, doch damit stand eindeutig fest, dass er eine Verbindung zu ELIUM hatte.«
»Und was hat das mit euch Fioren zu tun?«
»Eben das wirst du nun erfahren«, antwortete der Mittlere. »Wichtig war es vor allem, dass wir Darrens Kräfte in die richtigen Bahnen lenken konnten. Er musste lernen, sie zu beherrschen.«
Wann hörte das auf? »Welche … Kräfte?«
»Äh, wie es aussieht«, warf Darren dazwischen, »kann ich so ziemlich alles umformen, worauf ich mich konzentriere. Es gab da so einen kleinen Unfall, als das Archiv überfallen wurde, und …«
»Genug!« Shanija rieb sich die Schläfen. »In Ordnung, Darren ist dabei, wenn ihr ihn braucht, aber ich werde sofort eingreifen, wenn es zu viel für ihn wird.«
»Ich pass schon auf, Mutter.«
Sie trat vor die bullige Gestalt, die quer über den Balken gefesselt am Boden lag. Der schwarze Körperpanzer mit den rot gefärbten Schulterstücken war durch die Kämpfe und den Transport schmutzig und zerkratzt. Trotzdem strahlte er abgrundtiefe Bösartigkeit aus. Ihr persönlicher Foltermeister und Todfeind.
Shanija bemerkte, dass ihre rechte Hand unkontrolliert zitterte. Verärgert presste sie die Lippen aufeinander und verschränkte die Arme vor der Brust.
»As’mala«, sagte sie mit ruhiger Stimme, »sei so freundlich und hilf dem Herren aus seinem Mantel.«
»Nichts lieber als das«, sagte die blonde Frau. Sie ließ die Fingerglieder einzeln knacken, als sie katzengleich auf den Quinternen zu schritt und neben ihm in die Hocke ging.
Shanija suchte Blickkontakt mit Earl Hag. Ruhig nickte er ihr zu.
Falls etwas schief geht bin ich zur Stelle
, sagte er mit dieser Geste.
Shanija richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen vor ihr.
As’malas Fingerspitzen tasteten über die Halskrause der Rüstung, verhielten kurz im Nacken, fuhren dann an den Kanten entlang quer über die Brust, die Taille, über den Rücken hoch bis zum Genick.
Niemand wagte in dieser Zeit zu atmen. Gebannt starrten alle auf die geschmeidigen Hände der Frau. Mehrmals waren leise Klick-Laute zu vernehmen.
As’mala schaute sich nach den anderen um.
»Ich denke, das war’s. Wollt ihr ihn sehen?«
»Brauchst du Hilfe?«, fragte Shanija.
As’mala blickte kurz über die linke Schulter und grinste. »Das Leben ist zu kurz, um den ganzen Spaß zu teilen.«
Beherzt griff sie unter die Halskrause und riss sie mit einem Ruck nach oben.
Kurzes Schweigen. Dann: »Bei Zyrkans verfaulten Eiern!«
Die Abenteuerin verdeckte mit ihrem Körper Shanija die Sicht. Täuschte sie sich, oder wurde As’malas blonde Zopffrisur tatsächlich von einem schwachen Schein beleuchtet?
»As’mala?«
Die ehemalige Diebin fasste dem Stummen an den Brustpanzer, wo es zuvor vernehmlich geklickt hatte, und riss ihm das Teil in einer einzigen fließenden Bewegung vom Körper.
Sie erhob sich und trat zwei Schritte zurück.
Ein fahler Lichtschein trat aus dem Quinternenpanzer. Leises Gemurmel der Anwesenden wurde hörbar. Die Fioren zuckten heftig zusammen. Einer von ihnen stieß einen einzigen, hohen, zutiefst erschrockenen Schrei aus.
»Nein!«
Die Anwesenden drängten näher zu dem
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