Superdaddy: Roman (German Edition)
al-Assaf, ein muskulöser Araber mit Halbglatze. Er betrieb das erste und einzige Väterhilfswerk in Deutschland und hatte sieben Kinder. Ich mochte ihn sofort. Macho-Väter hatten wir viel zu wenig. Hätten wir mehr davon, hätten wir auch selbstbewusstere Jungs.
»Sieben?«, fragte ich nach, als hätte ich mich verhört.
»Ja«, sagte er traurig. »Zu Hause in Arabien sagen alle: Armer Kerl – bloß sieben. Wart ihr zu faul oder was? Ist deine Frau unfruchtbar geworden? Oder bist du …«
»Also, ich bin schon von dreien komplett überfordert«, würgte ich ihn ab, bevor er einen nicht familienkompatiblen Witz machte.
Der dritte Kandidat sah mit seinem Strubbellockenkopf, seinem langen, blonden Vollbart und seinem Norwegerpulli aus wie ein riesengroßes geschlechtsloses Kuscheltier, und so was Ähnliches war er auch: Erzieher in Leck, mitten in Nordfriesland. Matze hatte nur zwei eigene Kinder, für unsere Sendung eigentlich zu wenig. Dafür punktete er mit zehn Patenkindern aus Ruanda, Zimbabwe, Äthiopien, Palästina, dem Kosovo, Kolumbien, El Salvador, Haiti, Burma und dem Sudan. Lauter Länder, die ich nur von Völkermorden, Naturkatastrophen und Folterskandalen kannte. Halfen dagegen wirklich fünfundzwanzig Euro im Monat? Na gut, bei Matze summierte es sich auf zweihundertfünfzig. Und weil sein Erziehergehalt das nicht hergab, holten seine Kinder das Geld durch den Verkauf von selbstgetöpferten Windrädern rein. Das musste man sich mal vorstellen: Nordfriesland war schon vollständig verspargelt von riesigen, grauen, lauten Stromerzeugern, und was tat der Nordfriese? Stellte sich ein dilettantisch getöpfertes Exemplar auf den Kaminsims. Entweder hatte er ein sehr gutes Herz. Oder einen IQ deutlich unter siebzig. Vermutlich beides. So wie Matze.
Väter sind Zehnkämpfer. Haare nach Flöhen absuchen, mit Legohändlern feilschen, neurotische Lehrer gutstimmen, Kinderarztsprechstundenhilfen bestechen, zerbrochene Lieblingsglastiere reparieren, deutschsprachige Tagesmütter suchen, blutende Kniewunden desinfizieren, Halloweenkürbisse schnitzen, schlechtgelaunte Schwiegereltern bekochen und Lateinvokabeln abhören. Deshalb war unsere Sendung auch ein Zehnkampf. Nach zehn Runden wurde abgestimmt. Der Gewinner wurde Superdaddy des Monats und bekam einen Familienurlaub im Fünf-Sterne-Resort seiner Wahl. Innerhalb des Touristik-Konzerns, der uns sponserte.
Erste Runde: Handwerksdaddy. Die drei mussten einen kaputten Fahrradschlauch durch einen neuen ersetzen, ohne dabei die Gangschaltung zu ruinieren.
Der Araber brauchte dafür vier Minuten und eine Sekunde.
Matze war nicht mal halb fertig, weil er so liebevoll an jeder Schraube gedreht hatte.
Anton konnte es gar nicht. »Wir wohnen im Bergischen Land«, erklärte er. »Wir wandern.« Er ging grübelnd um das Fahrrad herum, versuchte den kaputten Reifen aufzupumpen, sortierte das Werkzeug nach Größe und ließ am Schluss die Luft aus dem heilen Reifen raus.
Die Kinder kreischten vor Vergnügen. Aber die Runde ging an Ibrahim.
Als Nächstes mussten sie aus kleinen, roten Tonplättchen eine Brücke über einen Plätscherbach bauen. Matzes dicke Knubbelfinger lösten das Statikproblem mühelos. Kein Wunder, wahrscheinlich machten sie das jeden Morgen bei den Roten Runkelrüben in Leck. Dafür gewann Anton die dritte Runde, in der ein aufgeschnittener Daumen verbunden werden musste. Der Araber scheiterte, was meinen Verdacht bestätigte, dass seine Frau sich um die sieben Kinder kümmerte. Matze kriegte es hin, aber sehr langsam. Wahrscheinlich brauchte er für alles im Leben sehr lange. Hoffentlich musste er nie vor einem tollwütigen griechischen Hirtenhund flüchten.
Als Viertes sollten sie die Kinder zum Singen bringen. Ibrahim versuchte es mit Im Frühtau zu Berge . Anscheinend wusste er nicht, was eigentlich jeder wusste: Volkslieder kannten in Deutschland nur Musiklehrer und sehr alte Rentner aus Baden-Württemberg. Niemand sang mit, sein Ivan-Rebroff-Bass tönte vaterseelenallein. Anton hatte mit Schnappi eine bessere Idee, aber den Jungs war es zu albern, den Älteren sowieso, nicht mal die Hälfte stimmte ein. Dann kam Matze mit seiner Klampfe.
»Na«, rief er, »wer hat heute Geburtstag?«
Ein sommersprossiger Zwerg meldete sich.
»Wie heißt du denn?«
»Christopher-Ole.«
»Ah, was für ein schöner Name! Wollen wir Christopher-Ole jetzt alle gemeinsam gratulieren?«
»JAAAA!«
Und schon legte er los: Wie schön, dass du geboren
Weitere Kostenlose Bücher