Superdaddy: Roman (German Edition)
jammerte Robin.
»Du gehst hin, siehst ihm furchtlos in die Augen und sagst: ›Gib mir mein Handy zurück!‹«
»Er wird mich auslachen!«
»Nicht unbedingt. Und wenn doch, wiederholst du den Satz. Zweimal. Wenn er es dir nach dem dritten Mal nicht gibt, gehst du zum Direktor. Aber erst forderst du es selbst ein. Das ist ganz wichtig, hörst du? Das nennt man Selbstachtung. Und das ist das Allerwichtigste im ganzen Leben.«
Mir wurde schwindelig. Meine Sendung. LaGuardia, Ines und der Gott der deutschen Fernsehunterhaltung, sie hatten mich abgezogen. Und ich war nicht für mich eingetreten. Ich musste für mich eintreten. Aber wie? Wie bloß? Da die Zeit einfach runterlief, ablief, und alles schon fast vorbei war.
Meine letzten Sätze als Moderator. Es war so weit.
»Liebe Zuschauer, jetzt ist es an Ihnen: Wer wird Superdaddy des Monats? Rufen Sie an!«
Ich sagte die Nummern zu den Namen, Einspielfilmchen zeigten die Runden im Zeitraffer, und solange die Zuschauer abstimmten, sang und spielte Störtebernd, ein Kinderliedermacher aus Hankensbüttel.
»Mann, Mann, Mann«, murmelte mir Axel zu, während wir dem langhaarigen Gitarrenmann vom Seiteneingang zusahen. »Ist das alles ein Schrott. Wer denkt sich bloß so was Krankes aus?«
Ich. Wusste er das nicht?
»Meine Kuschelziege ist weg!«, äffte er Robin nach. »Heul doch. Ich werd das Ding komplett umkrempeln.«
»Nur noch schwule Väter?«
Er schüttelte den Kopf. »Nie wieder Liedermacher, nie wieder Erzieher, nie wieder Photosynthese. Was ist das überhaupt? Synthetische Titten?« Er kicherte wie ein Teenie, der zum ersten Mal das F-Wort ausspricht. »Ich mach das Ganze mit Promis, verstehst du? Pilawa erzählt von seinen sechs Kindern. Das wollen die Leute sehen. Nicht Anton aus Bergisch-Gladbach. Nichts gegen dich, Philipp, aber …«
Was hatte Anton gerade erzählt? Ich musste zurückschlagen. Ehe Störtebernd zum letzten Refrain kam.
»Promis sind Müll, Axel. Und ich glaube kaum, dass Frau LaGuardia das mitträgt.«
Er sah mich an, als hätte ich mir gerade ein Kondom übers Gesicht gezogen, um zu verhüten. »Äh, Philipp, was glaubst du wohl, auf wen Bella hört: Auf dich oder auf mich?«
»Wer ist Bella?« Ich verstand kein Wort. Und so muss ich auch geguckt haben. Wie Lukas Podolski, wenn er den kategorischen Imperativ erklären sollte.
»Sorry«, Axel verzog peinlich berührt das Gesicht, »das wusstest du nicht?«
Und mit einem Mal verstand ich. Alles. Axel und Antonia. Er hatte sich hochgeschlafen. Und sie hatte ihm die bessere Show verschafft. Nämlich meine. Darum war sie so versteinert, als ich über ihn hergezogen war. Ich wusste nicht, wen ich mehr bedauern sollte – Antonia LaGuardia oder mich. Der Sieger stand jedenfalls vor mir und beugte sich zu mir.
»Tipp für die Ewigkeit, Bruder: Krall dir die Chefin!« Er boxte mir gegen die Schulter, dass ich den blauen Fleck schon spüren konnte. »An die traut sich sonst keiner ran. Und die ist so dankbar und brav – das glaubst du nich’. Wie das hässliche Entlein in der dritten Klasse, mit dem keiner spielen will. SO geil!«
Ich lächelte debil. Mir fiel nichts Gescheites ein. In Axels Gegenwart schrumpfte mein IQ schlagartig auf Ameisenniveau zusammen. Derweil sang Störtebernd seinen letzten Refrain:
Lass dir bloß nix Blödes erzählen
Du bist toll, so wie du bist!
Nein, dieser Comedian neben mir war keineswegs toll, so wie er war. Bei dieser christlichen Sozialethik lag ein grundlegendes Missverständnis vor. Und die betraf nicht nur Axel. Sondern auch mich. Ich musste anders werden. Und zwar sofort.
Ich stand auf der Bühne und bekam den Umschlag. Ich verkündete den Sieger, der Saal explodierte, und Anton bekam einen Gutschein für ein 7-Sterne-Resort auf Teneriffa. Ibrahim umarmte ihn und brachte ihm dabei ernsthafte Quetschungen bei, Matze weinte, und mir war speiübel. Anton hatte gesiegt, weil er es verdient hatte. Und ich hatte alles verloren, weil ich nicht für mich gekämpft hatte. Schlimmer, ich hatte nicht mal gemerkt, von wem ich ausgeraubt wurde, wie und warum. Konnte Anton mich nicht coachen? Mir erklären, wie es ging? Aber es war ja schon alles vorbei.
Denn jetzt musste ich auf meine Position. Larissa winkte. Mein Magen skandierte Protestslogans, aber meine Füße trugen mich noch. Doch selbst die Füße tippelten das Wort Selbstachtung auf den Boden, um es in mein Gehirn zu bugsieren, ins Entscheidungszentrum. Wo lag das eigentlich? Gab es
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