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Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
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ihm einen schnellen ängstlichen Blick zu und war entsetzt, als sie verstand, dass er wusste, was über ihn geredet wurde. Sie sah ihn lächeln, mit diesem jungen und sanften Gesicht. »Herrin, ich werde Euren Kindern genauso wenig ein Leid antun, wie ich es den Sklavenkindern antun würde.«
    Ein Stöhnen der Erleichterung entrang sich ihrer Kehle. Wärme durchströmte sie; sie bekam weiche Knie, sie musste sich auf einen Hocker setzen. Tränen rannen ihr übers Gesicht, und die Wärme verwandelte sich in Liebe für Elfling.
    Er war zum Fenster gegangen, wo sich sein Körper als Umriss gegen das Licht abzeichnete. Draußen wurde es lauter, Hufschläge waren zu hören, das Rumpeln und Knarzen von Karren, Schreie und Gebrüll. »Mein Tross ist eingetroffen«, sagte er. »Herrin, werdet Ihr für mich Blumen auf Wulfweards Grab legen?«

WULFWEARDS GRAB

    Kendidra streute getrocknete Lavendelblüten über die Laken, in denen Wulfweard bald liegen würde. So legte sie Blumen an seinem Grab nieder.
    Elfling hatte sie auf den Hof geführt, wo ihre und seine Leute sich hin und her schoben, aneinander zerrten und sich gegenseitig anschrien. Das Gedränge wurde noch schlimmer, als der Tross durch das Tor kam und sich das Durcheinander um zahlreiche Packpferde, Ochsen und noch mehr Menschen verschlimmerte. Elfling bot ihr den Arm, und sie nahm sein Angebot an. Als ihre Haut sich berührte, wunderte sie sich über die Wärme, die seine und ihre Kleidung durchdrang.
    Anfangs drängten sich die Leute an Elfling vorbei, rempelten ihn sogar zur Seite, denn sie sahen nur seine ärmliche Kleidung. Zuweilen war sie es, die sie als Erste erkannten, und dann wichen sie vor ihrer Herrin schnell zurück. Erst dann warfen sie einen Blick auf ihren Begleiter. Bald schon zog seine Größe die Blicke auf sich, auch seine langen Haare, denn sie wehten um seine Schultern, wie es nur bei den Reichen üblich war, trotz seiner grob gewirkten Kleidung. Und wenn sie ihn einmal angeschaut hatten, dann hatten sie nur noch Augen für ihn.
    Die Menschen begannen miteinander zu flüstern, knufften andere in den Rücken und deuteten auf ihn. Sie folgten ihm, stießen und drängelten in der Masse, um ihn besser sehen zu können. Im Stimmengewirr konnte Kendidra immer wieder dieselben Worte hören. Nicht »der König«, sondern »der Elfensohn … der Elfling … der Elf …«
    Während sie an Elfling gedrückt wurde, blickte sie zu ihm auf, denn sie fragte sich, was er über die Menschen dachte, die sich an ihn drängten, über ihr Flüstern. Er schaute sich um, als ob er lediglich nach dem Weg suchte. Er überging die Menschen, die mit ihm zusammenstießen, als ob sie Bäume in seinem Weg wären – er hätte genauso gut auch allein auf dieser Welt sein können.
    In der Menge standen auch Krieger, die Kettenhemden, Helme und Schwerter trugen. Als sie Elfling erkannten, kämpften sie sich zu ihm durch, warfen sich Blicke zu und formierten sich zu einer Eskorte. Mit gepanzerten Ellbogen, Stößen, Drohungen und Gebrüll hielten sie die Menge von ihm fern. Kendidra dankte den Männern mit einem Lächeln, denn es wurde sofort leichter für sie zu stehen. Sie bemerkte, wie die Männer zu Elfling schauten, und wusste, wie wenig ihr Dank im Vergleich zu seinem bedeutete – er aber starrte durch die Männer hindurch und beachtete sie genauso wenig wie die Menge um ihn herum. Die Männer wussten sich nur zu helfen, indem sie noch unerbittlicher wurden, noch wichtigtuerischer. Sie riefen: »Macht Platz für den König!«, und drohten jedem mit ihren Speeren, der sich ihnen näherte. Doch es schien so, als ob Elfling glaubte, sie würden es für jemand anderen tun.
    Sie zu übergehen ist ein Fehler, dachte Kendidra. Sie werden sich daran erinnern. Ihr Ehemann hätte jeden Einzelnen von ihnen nach seinem Namen gefragt, ihm gedankt, verbunden vielleicht mit einer kleinen Belohnung. Aber Elfling hatte nie die Erziehung eines Mitglieds der Zwölfhundert erhalten, auch wenn er als einer von ihnen geboren worden war – oder auch nicht?
    Elfling führte sie alle zu einem der älteren Viertel der Residenz, wo Kendidra normalerweise die weniger bedeutenden Gäste unterzubringen pflegte. Ein Planwagen mit Ochsen war vor dem vermutlich kleinsten, ältesten und schäbigsten Gästehaus zum Stehen gekommen. Kendidra bemerkte bestürzt, dass eine Priesterin neben dem Wagen stand.
    Die Frau war mittleren Alters und fiel mit ihrer ruhigen, aufrechten Haltung inmitten des

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