Susanne Barden 04 - Weite Wege
garantieren?«
»Nein, natürlich nicht. Aber ...«
»Das dachte ich mir. Ich fürchte, Sie sind ein wenig zu rasch und unüberlegt.« Er lächelte von oben herab. »Sie sind eine Draufgängerin, Fräulein Barden, und das flößt mir Mißtrauen ein. Ich hätte nichts dagegen, den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu bessern, aber das müßte auf die richtige Weise geschehen. Mein Leben lang habe ich den Grundsatz befolgt« - er räusperte sich - , »mich niemals mit einer Sache zu befassen, bei der ungewisse Faktoren mitspielen. Ich habe dieses Prinzip stets sowohl in großen als auch in kleinen Dingen befolgt und bin nicht gewillt, davon abzugehen.«
Susy starrte ihn ganz verwirrt an. »Ich verstehe Sie nicht. Was ist denn bei dieser Sache unsicher oder ungewiß?«
»Sie, Fräulein Barden.«
»Ich?«
»Ja. Die Tatsache, daß Sie sich kopflos in dieses Unternehmen gestürzt haben, daß Sie sich auf eine Sache eingelassen haben, deren Ausgang zum mindesten äußerst zweifelhaft ist, zeugt von einem jugendlichen Mangel an Urteil.«
Susy hätte ihm am liebsten etwas an den Kopf geschleudert, um den Ausdruck durchtriebener Schläue und Selbstgerechtigkeit auf seinem Gesicht zunichte zu machen. Sie bezwang ihren Ärger und fragte: »Warum denn?«
Herr Todd stieß Zigarrenrauch aus. »Wie ich schon sagte - Sie haben sich unüberlegt auf eine völlig unsichere Sache eingelassen. Ich zweifle nicht daran, daß Sie eine gute Ausbildung gehabt haben. Aber Sie haben bisher nur unter der Leitung zuständiger Organisationen gearbeitet und noch nicht bewiesen, ob Sie auch selbständig etwas zu leisten vermögen.«
»Wie konnte ich denn .«
»Ich habe Respekt vor jeder persönlichen Leistung. Aber Sie haben es ja nicht einmal fertiggebracht, sich die Voraussetzung für Ihre Arbeit zu schaffen. Soll ich etwa mein Geld und meinen Ruf, stets unfehlbar zu urteilen, für ein hübsches Kind riskieren, das sich unbesonnen auf unsichere Wege begibt? Solche Menschen kann ich nicht auf einen verantwortlichen Posten stellen.«
Susy zwang sich, liebenswürdig zu bleiben. »Aber Herr Todd, das heißt ja mit anderen Worten, daß ich keine selbständige Fürsorgeschwester sein kann, ehe ich nicht selbständige Fürsorgeschwester gewesen bin. Es ist widersinnig.«
»Es ist meine wohlüberlegte Ansicht. Tut mir leid, Fräulein Barden.«
Susy nahm ihre Handtasche und stand auf, zu erregt, um eine Enttäuschung empfinden zu können. Am liebsten hätte sie wütend gerufen: »O ja, es tut Ihnen so leid, daß Sie es kaum ertragen können!« Aber sie dachte an Bill. Herr Todd war einflußreich - wenn die Leute im Ort auch über ihn lachten. Brachte sie ihn gegen sich auf, so könnte Bills Praxis darunter leiden. Sie streckte ihm also die Hand hin und sagte in ruhigem Ton: »Vielen Dank, Herr Todd.«
Er tätschelte tollpatschig ihren Handrücken. »Oh, keine Ursache«, sagte er, als hätte er sie mit Wohltaten überhäuft. Dann erhob er sich und öffnete ihr die Tür. Offenbar rührte sich doch so etwas wie Reue in ihm, als er ihr vorgestrecktes Kinn sah, denn er fügte hinzu: »Verzeihen Sie meine scheinbare Härte, Fräulein Barden. Vielleicht haben Sie ein andermal mehr Glück.«
Susy ging durch die Tür. Im nächsten Augenblick ertönte ein schmerzliches Jaulen, und ein kleiner Dackel hinkte mit hochgehaltener Vorderpfote von ihr fort. »Oh, mein Gott!« Erschrocken kniete sie sich auf die Erde und streckte die Hand nach ihm aus. »Entschuldige, mein Kleiner! Das wollte ich nicht.« Das Tierchen flüchtete sich zu Herrn Todd, der es aufhob und mit tröstenden Worten streichelte.
Susy stand auf. Das hatte gerade noch gefehlt! Aber jetzt war sowieso alles gleichgültig. »Auf Wiedersehn, Herr Todd«, sagte sie tonlos. Und dann zu dem Dackel: »Auf Wiedersehn, mein Kleiner! Es tut mir wirklich sehr leid.«
Schnee knirschte unter ihren Füßen. Das wilde Bellen wurde leiser, während sie sich entfernte. Susy kletterte in Annes alten Wagen und fuhr davon, aber nicht nach Hause, sondern weiter den Berg hinauf. Noch konnte sie Anne und Bill nicht von ihrem Mißerfolg erzählen. Später würde sie es tun, aber jetzt noch nicht.
Der Wagen keuchte und spuckte, zog sie jedoch trotzdem stetig bergauf. In den Kurven und an besonders steilen Stellen der Straße war wegen der Glätte Sand gestreut worden. Susy bemerkte nichts von dem mühevollen Aufstieg des Wagens. Sie fühlte nicht die glatte Kälte des Steuerrades unter ihren Händen. Zum
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