Susanne Barden 07 - Ende gut, alles gut
ja!« Dann hielt sie sich plötzlich die Hand vor ihr rechtes Auge. »Entschuldigen Sie bitte, mir ist etwas ins Auge gekommen!«
Sie floh. Susy blieb verdutzt zurück. Was sollte das bedeuten? Das Mädchen benahm sich ja wie eine ängstliche Probeschwester; dabei hatte sie schon ein Jahr Schwesternschule hinter sich. Susy schüttelte den Kopf. Im Augenblick konnte sie nichts weiter tun, nahm sich jedoch vor, der Sache auf den Grund zu gehen.
Eine Stunde später holte sie die Medizingläser aus dem Krankensaal, um sie abzuwaschen. Die Tür zum Waschraum, die gewöhnlich offenstand, war geschlossen. Als Susy sie aufstieß, schrak sie zurück. Das Zimmer war voller Dampf, der einem brodelnden Sterilisationsapparat entströmte. Daneben stand Dora Macgraw, in der einen Hand eine Flasche mit Einreibespiritus, in der anderen ein Handtuch, das sie sich vors Gesicht hielt. Sie weinte.
Susy machte die Tür sachte hinter sich zu, stellte das Tablett ab und legte den Arm um die Schultern des Mädchens. »Was ist denn los?«
Dora weinte nur noch heftiger. Susy wartete geduldig, während der Dampf um sie herum immer dichter wurde. »Sprechen Sie doch!« sagte sie endlich. »Selbst wenn ich Ihnen nicht helfen kann, wird es Sie erleichtern. Und vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
Dora schluckte und stammelte: »Ich - will meiner Mutter schreiben, daß ich - von hier fortgehe.«
»Sie wollen Ihr Studium abbrechen? Aber warum denn? Gefällt Ihnen der Schwesternberuf nicht?«
»Ich - liebe ihn - habe ihn immer geliebt!«
»Warum wollen Sie dann fort?«
Das Mädchen wischte sich die Augen mit dem Handtuch und antwortete verzweifelt: »Ich - darf - diesen Beruf nicht ausüben. Ich muß aufhören - ehe ich jemand töte.«
»Reden Sie keinen Unsinn!« erwiderte Susy scharf. »Sie sind ja hysterisch.«
»Nein, nein, Frau Barry, das bin ich nicht!«
»Nun regen Sie sich nicht auf. Waschen Sie sich jetzt das Gesicht mit kaltem Wasser, schneuzen Sie sich die Nase und erzählen Sie mir, was Sie bedrückt.«
Dora schüttelte den Kopf. »Nein - das kann ich nicht! Keinem kann ich das erzählen. Lieber sterbe ich!«
»So waschen Sie sich wenigstens das Gesicht.«
Folgsam wusch sich Dora, trocknete sich mit dem Handtuch ab und sah zur Tür.
»Nein!« sagte Susy fest. »Sie bleiben jetzt hier und erzählen mir alles.«
Ein Hoffnungsschimmer leuchtete in Doras Augen auf. »Sie - werden es niemand weitererzählen?«
»Nein - vorausgesetzt, daß es weder zum Schaden eines Patienten noch des Krankenhauses ist.«
Wieder füllten sich Doras Augen mit Tränen. »Jetzt - kann es nur noch mir schaden. Ich - mir ist ein furchtbarer Irrtum passiert, Frau Barry. Ich hätte leicht einen Menschen töten können. Es war nur ein glücklicher Zufall, daß es nicht geschah.«
»Dann wollen wir dem glücklichen Zufall dankbar sein. Was ist denn passiert, Kindchen?«
Ein Schauder überlief Susy, als sie die Geschichte vernahm. Dora Macgraw hatte den Auftrag bekommen, eine Flasche mit Blut in einem Transfusionsapparat auszuwechseln. Sie hatte eine neue Flasche aus dem Vorratsraum geholt, sie eingesetzt und war dann an eine andere Arbeit gegangen. Erst als die Flasche leer war, hatte sie einen furchtbaren Irrtum entdeckt.
»Es war das falsche Blut«, stieß sie erregt hervor, »nur war es doch nicht das falsche - ich meine - es war für einen anderen Patienten bestimmt - aber von derselben Blutgruppe. Denken Sie doch nur - wäre es nicht dieselbe Blutgruppe gewesen, dann wäre der Patient gestorben!«
Susy schwieg erschüttert. Tatsächlich führt ja die Zufuhr von Blut einer fremden Blutgruppe den Tod eines Menschen herbei. Aber Dora hatte genug gelitten; es wäre grausam gewesen, ihr jetzt noch Vorwürfe zu machen.
»Was haben Sie dann getan?« fragte Susy schließlich.
»Ich habe - die Etikette vertauscht. Die Flasche, die ich hätte nehmen müssen, stand hinter einem Glas mit Kochsalz, deshalb hatte ich sie nicht gesehen. Seitdem - habe ich fast nicht mehr geschlafen. Ich hätte die Sache melden müssen, aber ich’ wagte es nicht. Und es war ja auch nichts passiert. Aber seitdem kann ich an nichts anderes mehr denken. Und ich habe schreckliche Angst, Medizin auszugeben oder auch nur das Essen zu verteilen, denn ich könnte ja wieder etwas verwechseln.«
»Das brauchen Sie nicht zu fürchten«, entgegnete Susy. »Ihnen wird bestimmt nie wieder ein ähnlicher Irrtum unterlaufen. Wenn eine gute Krankenschwester einmal einen Fehler macht,
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