Suzannah und der Bodyguard
Geschlechtsumwandlung unterzogen? Er wühlte wieder in der Schublade, und sie nutzte die Gelegenheit, um sein Profil genau zu betrachten. Wer war er nur, verdammt noch mal?
„Ah, damit sollte es gehen.“
Zu ihrem Entsetzen sah sie ihn sechs Steakmesser mit Beingriff herausnehmen. Erleichterung überkam sie, als er damit an ihr vorbeiging, gefolgt von einer Welle von Übelkeit, als er einen der Gasbrenner am Herd einschaltete. Sorgfältig und akribisch legte er die Messer in Fächerform aus, die Stahlklingen in der blauen Flamme, die kalten Griffe auf der Umrandung.
Herr im Himmel, er würde ihr die Haut mit Brandmalen versengen.
Das war der Moment, in dem die Panik sie fast überwältigt hätte. Es kostete sie ihre gesamte Willenskraft, um nicht durchzudrehen. Ihr Magen rebellierte ebenso wie ihre Eingeweide, und ihr Geist … oh Gott, ihr Geist wollte sich einfach nur noch in eine weit entfernte Ecke verkriechen. Doch wenn sie es nicht schaffte, die Panik niederzukämpfen, wäre sie schon so gut wie tot. Das wusste sie.
Sorg dafür, dass er weiterredet. „Operation.“ Sie griff nach dem Thema, wie eine Ertrinkende nach einer im Wasser treibenden Planke greifen würde. „Sie wollten eine Frau werden?“
Als er lächelte, kamen ihr seine Züge seltsam vertraut vor, allerdings wirkten sie weniger maskulin als in ihrer Erinnerung. Denk nach, Suzannah. Verzweifelt versuchte sie, sich sein hageres dunkles Gesicht mit einem Bartschatten vorzustellen.
„Eine Frau werden? Nein, ich würde nicht sagen, dass das meine Absicht war.“
„Dann verstehe ich es nicht. Was für eine Art von Operation meinten Sie dann?“
„Eine höchst ungewöhnliche Operation und leider auch ohne Narkose. Man könnte auch sagen, mehr eine Art Verstümmelung.“ Er nahm eines der Messer vom Herd und drückte die heiße Klinge gegen seinen Daumenballen, ohne dabei eine erkennbare Regung zu zeigen. Dann legte er es wieder in die Flamme zurück. „Kastration.“
Ihr Verstand hatte sich noch nicht von dem Schock erholt, ihm dabei zuzusehen, wie er sich mit dem Messer verbrannte, und der Gestank versengten Fleischs hing ihr immer noch in der Nase, doch die Bedeutung seiner Worte drang zu ihr durch. Sexualverbrechen , schrie ihr Geist. Er musste irgendeine Art von Sexualverbrechen begangen haben, und der Ehemann oder Vater des Opfers hatte der Gerechtigkeit auf seine Weise Genüge getan. „Jemand hat Sie kastriert?“
„Ah, ich sehe, worauf ihr cleverer Verstand hinauswill. Selbstjustiz. Aber da liegen Sie falsch.“ Ein weiteres Lächeln. „Oder vielleicht doch gar nicht so sehr.“
Er wandte sich ab, um die Flamme des Gasherds zu regulieren. Suzannah begann zu zittern. „Ich verstehe es nicht.“
„Ich habe es selbst getan, Miss Phelps. Mit einem Fleischermesser.“
Bleib ruhig. Bleib ruhig. Mit aller Macht kämpfte sie gegen die aufsteigende Übelkeit. Sie atmete flach, um nicht die Beherrschung zu verlieren. „Aber warum?“
„Weil ich zu einem Monster wurde, Miss Phelps. Eine Kreatur aus den Albträumen vieler Eltern. Und Sie haben es erst möglich gemacht, dass ich zu diesem Monster werden konnte.“
Oh Gott, natürlich! Sie hatte nur eine Handvoll männlicher Mandanten vertreten, denen ein Sexualverbrechen zu Last gelegt wurde, und nur in einem Fall ging es andeutungsweise um Pädophilie. „Remy Rosneau.“
„Glückwunsch, Miss Phelps. Sie gehören wirklich zu den Besten.“
Hektisch durchforstete sie ihre Erinnerungen. Es war kein besonders dramatischer Fall gewesen. Seine zwölfjährige Cousine hatte Anzeige erstattet, weil er sie angeblich in sexueller Absicht berührt hatte. Suzannah hatte nicht einen Moment lang geglaubt, dass ihr Mandant schuldig sein könnte. Die Umstände waren einfach zu offensichtlich. Die Familienfehde zwischen den Vätern von Remy und dem des Opfers. Das Eingeständnis des Opfers, dass ihr Vater sie hinsichtlich ihrer Aussage stark beeinflusst und ihr geraten hatte, die Vorgänge auszuschmücken. Die Tatsache, dass der Vater des Opfers gehofft hatte, aus dem Vorfall einen finanziellen Vorteil ziehen zu können, indem er die Familie seines Bruders bei ihrem kränklichen Vater in Misskredit bringen und diesen dazu bewegen könnte, Remys Vater aus dem Testament zu streichen.
Das Bezirksgericht hatte Rosneau verurteilt, doch im Berufungsverfahren hatte Suzannah den Richter davon überzeugen können, das ihrer Meinung nach falsche Urteil aufzuheben.
Sie schluckte. „Haben Sie sich an
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