Svantevit - historischer Roman (German Edition)
Alten war eine unerwartete Freude über die Neugier seines Schülers abzulesen.
"Nun, ich will dich nicht mit alten Geschichten langweilen, aber wenn es dich interessiert werde ich dir gerne über mein früheres Leben erzählen."
Obwohl es noch früh am Nachmittag war, und Womar um diese Zeit sonst nicht trank, holte er sich flink einen Krug Met, bot auch Radik einen Becher an.
"Da gibt es so viel zu berichten und ich muss Obacht geben, dass mir die Zunge nicht trocken wird."
Er nahm einen großen Schluck, seine feuchten Augen glänzten wie immer und er blickte nachdenklich an Radik vorbei ohne einen genauen Punkt zu fixieren, so als müsse er längst vergessene Erinnerungen wachrufen.
"Geboren wurde ich einer Stadt, die sich weit weg von hier in südwestlicher Richtung befindet und in den deutschen Landen liegt. Der Name dieser Ansiedlung ist Aachen und nicht zu vergleichen mit allem was du kennst. Dort sind viele Gebäude aus Stein errichtet, es gibt gewaltige Gotteshäuser, wobei der Gott der Deutschen ein anderer ist, als man ihn hier kennt. In dieser Stadt werden seit alters her die Könige dieses Volkes gekrönt, in einer Zeremonie, die ihres gleichen sucht."
Der Alte schilderte das Leben in der Stadt, den Alltag und die besonderen Festlichkeiten, wenn hoher Besuch in den Mauern weilte.
"Mein Vater war Kaufmann, wie sich überhaupt meine gesamte Verwandtschaft mit dem Handeltreiben beschäftigte. Früh wurde ich von privaten Lehrern im Lesen und Schreiben unterrichtet und besuchte schließlich eine Kaufmannsschule, obwohl mich das Studium an einer Universität mehr interessiert hätte. Doch die beste Bildung ist das Reisen, wenn man seine Augen und Ohren offen hält. Deshalb war ich meinem Vater auch nicht böse, dass er unbedingt einen Kaufmann aus mir machen wollte."
Womar nahm einen Schluck Met und schenkte sich aus dem Krug nach. In farbigen Bildern schilderte er dem staunenden Radik seine Handelsreisen durch Deutschland und in ferne Länder – die Begegnung mit fremden Menschen, den Abschluss guter Geschäften und die Besonderheiten des einen oder anderen Völkchens.
"Aber was hat dich dann hierher verschlagen?", fragte Radik mit ehrlicher Verwunderung.
"Wenn man sich unter fremde Leute begibt, kann das ein interessantes Erlebnis werden oder dir den Tod bringen – stets muss man auf alles vorbereitet sein. Und die Gefahren sind vielfältig, so vielfältig wie die Bosheiten der Menschen, ihre Habgier und ihr Neid, die Streitsucht und Machtgier. Wo man auch hinkommt muss man stets auf der Hut sein und dort wo man dich besonders freundlich begrüßt, werden die Messer am ehesten gezogen."
Es war aber keine Verbitterung in seiner Stimme spürbar, vielmehr entsprach die Darstellung einer nüchternen Erkenntnis. Und Womar berichtete von Räubern und Banditen, verschlagenen Konkurrenten und arroganten Herrschenden, die ihm begegnet waren.
Es wurde spät und Radik musste schließlich nach Hause aufbrechen.
Radik verbrachte soviel freie Zeit wie möglich bei Womar, der nun, neben der weiteren Unterrichtung in den Dingen der Arithmetik, auch immer wieder von Erlebnissen aus früheren Tagen erzählte, wobei er aber weiter eine Antwort auf die Frage schuldig blieb, was ihn zu den Ranen auf die Insel verschlagen hatte.
Stets machte Radik sich auch in der Hoffnung auf den Weg, Kaila möge sich in seiner Nähe aufhalten, aber meistens war sie unterwegs und kümmerte sich um die vielen Bienenvölker, die Womar in der Umgebung in Körben hielt. Als es wärmer wurde, versteckte Kaila ihren Körper nicht mehr unter dickem Leder und Fell. Radik wusste nicht ihr genaues Alter, schätzte sie aber höchstens ein Jahr älter als er selbst es war. Was sich unter ihrem leinenen Zeug abzeichnete beeindruckte ihn jedenfalls sehr, so dass er manchmal froh war, sich mit der Rechnerei ablenken zu können, falls sie sich doch einmal länger mit ihm zusammen in der Hütte aufhielt. Seit ihrer ersten Begegnung und ihrer Reaktion spürte er ihr gegenüber eine gewisse Beklemmung, die stets aufs Neue Nahrung fand. So lehnte sie höflich aber bestimmt wiederholt sein Angebot ab, ihr bei den Bienen behilflich zu sein und auch auf Womars Bitte, Radik doch einmal einen Bienenstock zu zeigen, der vieles Interessante berge, meinte sie freundlich, dass er doch der Lehrer sei und nicht sie.
"Sie kann sehr hartnäckig sein", flüsterte der Alte Radik hinterher zu, "Aber denk dir nichts dabei."
Am Anfang des Sommers hatten
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