Svantevit - historischer Roman (German Edition)
Anlässen üblich, schien es keinen Mann zu geben, der nicht sturzbetrunken war. Es galt geradezu als anstößig, sich nicht in einen totalen Rausch zu versetzen.
Diese Zeit hatte Radik für seine Vorbereitungen genutzt und er war zuversichtlich, dass sein Plan gelingen würde. Die Stimmen in der Versammlung von Arkona waren gut verteilt. Ein Teil stand dem Adel zu, insbesondere den Fürsten, und ein anderer Teil der Priesterschaft. Radik wusste um seine Gunst bei den Fürsten. Es galt also, die Priester von sich zu überzeugen und dabei kam ihm das weiße Pferd natürlich wie gerufen.
Radik hatte sich etwas von der besten Kreide besorgt, die auf der Insel zu finden war, diese in Wasser aufgelöst und dann das Pferd mit einer dünnen Schicht der Flüssigkeit benetzt. Nach dem Trocknen war dies beim Berühren des Pferdes kaum zu spüren, aber dem Anblick tat es eine überraschende Wirkung. Das Weiß des Fells war makellos und strahlend, kräftig und hell. Diesen kleinen Trick glaubte Radik sich erlauben zu können.
Ungesattelt und ungezäumt, nur an einem lockeren Strick führte Radik den Schimmel zur Burg. Noch bevor er nach dem Oberpriester schicken lassen konnte, waren einige der anderen Priester beim Anblick des Pferdes zusammengeeilt. Mit großen Schritten und wehendem Gewand kam der Oberpriester auf Radik zu, die Augen fest auf das ruhig dastehende Tier gerichtet.
"Wie kommst du … woher …?"
Radik erzählte eine kleine Geschichte, die er sich zurechtgelegt hatte und die so zwar nicht ganz richtig, aber auch nicht völlig frei erfunden war. Der Oberpriester war ein mächtiger Mann, er würde schon herausfinden, ob das Pferd für seine Zwecke taugte oder nicht, Geschichte hin oder her.
Mitten im Kampf habe das Pferd seinen sächsischen Reiter abgeworfen und sei direkt zu ihm gelaufen, berichtete Radik. Sämtliche Pfeile, die ihm die Sachsen hinterhergeschossen hätten, wären weit vorbei geflogen oder wie Wassertropfen vom Schweif des Pferdes abgeperlt.
Bei diesen Worten erhellte sich das Gesicht des Oberpriesters immer weiter und wie selbstverständig nahm er Radik den Strick aus der Hand, den dieser ihm nur allzu gern überließ, und führte das Pferd weg.
Für den Abend war die Versammlung von Arkona einberufen und Radik war dorthinbestellt worden. Zuvor hatte er noch erfahren, dass es Nipud gelungen war, bei dem Scharmützel um Stralow mit seinen Männern einen Panzerreiter zu überwinden. Allerdings konnte der Mann nicht gefangen genommen werden, da er tödlich getroffen worden war. Doch waren seine Waffen und Rüstung eine sehr beachtliche Beute. Diese hatte Nipud mit viel Wirbel nach Arkona geschafft, völlig sicher, jedermann von seinem Erfolg tief beeindruckt zu wissen. Er ließ keine Zweifel daran, dass er der Meinung war, ihm allein gebühre nun die Führung der Tempelgarde.
Am Abend beschlich Radik dann doch ein mulmiges Gefühl. Er wusste nicht, was der Oberpriester inzwischen mit dem Pferd angestellt hatte. Hätte er die Kreide nicht doch lieber weglassen sollen? Und hatte er mit der Geschichte nicht etwas dick aufgetragen? Vielleicht hatten sich die Priester ja bei anderen Gardisten danach erkundigt. Und wenn schon, nur er selbst wusste schließlich, wie es wirklich gewesen war, außer den beiden Sachsen natürlich, die aber wohl kaum als Zeugen zur Verfügung standen.
Der Schimmel musste alle Erwartungen der Priester erfüllt haben, denn man übertrug Radik nunmehr einstimmig die Führung der Tempelgarde. Jetzt wo er dieses große Ziel endlich erreicht hatte, war es ihm fast etwas unheimlich.
In seinem Kopf begann es zu brodeln, als sich Freude Bahn brach, aber ihm zugleich die hohe Verantwortung der Aufgabe und die an ihn damit gerichteten Erwartungen bewusst wurden und so nahm er gerne die Einladung einiger Gardisten an, mit ihnen ein wenig zu feiern und zu trinken. Ein kleiner Rausch würde die komplizierten Gedanken vertreiben und ihn etwas entspannen lassen.
Auch von den Soldaten schien eine Art Anspannung abgefallen zu sein. Die Vorstellung, unter der Fuchtel von Nipud zu stehen, barg offensichtlich einigen Schrecken in sich, da dieser als leicht reizbar galt und oft genug bewiesen hatte, dass er im Zorn unberechenbar war.
In der eigentlich großzügig bemessenen Holzhütte war es bald brechend voll. Die Männer prosteten Radik unentwegt zu und tranken auf sein Wohl, wobei er immer nur etwas nippte, um nicht zu schnell und zu stark betrunken zu werden. Jeder schien das
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