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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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bekommen.”
    “Kann man da helfen?”, fragte Mary June. “Ich würde gerne auch was tun.”
    Tripp stand auf und nahm seinen Teller vom Tisch. “Da wärst du sicher nur im Weg, Kleines. Halt dich besser fern. Warum gehst du nicht mit Adele schwimmen?”
    “Ich bin auf einer Farm aufgewachsen”, erwiderte sie spitz. Es ärgerte sie, dass dieser Mann sie wie ein kleines Kind behandelte. “Wir haben zwar keine Schafe, aber wir haben Kühe. Ich glaube nicht, dass die Geburt da komplett anders abläuft.”
    Nona grinste. “Da haben Sie’s.”
    “Wirst
du
denn helfen?”, fragte sie ihn geradeheraus. Sie wusste nicht, wieso sie das fragte. Vielleicht wollte sie herausfinden, ob Adele recht hatte damit, dass er sich nicht mehr für Sweetgrass interessierte.
    Er stellte den Teller in die Spüle und drehte sich um, um sie anzusehen. Seine Augenlider waren schwer vor lauter Müdigkeit. “Ja, sie werden mich bestimmt dazuholen. Aber es wird eine lange Woche werden. Ich gehe jetzt erst mal duschen und schlafe ein bisschen. Und dann hol ich mir noch was von deinem Kaffee, Nona”, fügte er hinzu und zwinkerte vergnügt. Dann wandte er sich wieder an Mary June und sagte: “Vielen Dank für das Frühstück. Hat sehr gut geschmeckt. Vielleicht darf ich dich mal zum Abendessen einladen?”
    Das hätte sie als Letztes erwartet, und sie war sich sicher, dass man ihr das auch ansah. Hinter ihr sog Nona hörbar die Luft ein. Überrumpelt antwortete Mary June aus dem Bauch heraus: “Ja, gerne, vielen Dank.”
    Sein Lächeln ließ seine Augen erstrahlen. “Schön. Wir sehen uns dann später.”
    Sie beobachtete, wie er aus der Küche schlenderte. Als sie sich umdrehte, sah sie gerade noch, wie Nona die Augenbrauen hochzog und die Lippen schürzte, bevor sie sich wieder ihrem Kaffee zuwandte.
    Für einen Moment konnte Mary June sich nicht bewegen. Sie fühlte sich auf einmal zittrig, verunsichert und gleichzeitig wie elektrisiert. Als wäre sie gerade kopfüber in das dunkle Wasser der Haifischsenke gesprungen.

11. KAPITEL
    “W enn ich nachts aufwache und nicht wieder einschlafen kann, hole ich mir einfach einen Korb ins Bett und arbeite daran. Dann vergeht die Zeit wie im Flug.”
    (Mae Hall, Korbmacherin)
    Unten gähnte Nan wie eine Katze auf dem gepolsterten Stuhl, den Mama June neben Prestons Bett gestellt hatte. Kristina hatte sich ausnahmsweise einen Abend freigenommen, Mama June war schon zu Bett gegangen, und so saß Nan heute bei Preston, bis er eingeschlafen war. Sie war froh, auch mal an der Reihe zu sein, doch es wurde später und später. Ihre Augenlider wurden immer schwerer, und das laute Vorlesen erschöpfte sie. Sie schielte verstohlen zu ihrem Vater hinüber. Es sah aus, als wäre er eingeschlafen.
    Vorsichtig bewegte sie ihre Beine und spürte, wie das Blut hindurchströmte, als sie sich streckte. Sie fragte sich, ob ihr Vater es vermisste, solche einfachen Dinge zu tun. Seit seinem Schlaganfall war sie sich dieser elementaren Bewegungen und Gesten, die sie sonst für selbstverständlich gehalten hatte, ganz besonders bewusst geworden.
    Sie stand auf und trat ans Bett. Überrascht stellte sie fest, dass er mit offenen Augen dalag.
    “Also hast du gar nicht geschlafen?”, sagte sie leise. “Ich dachte, das letzte Kapitel hätte dir den Rest gegeben. – Dafür hat es bei Blackjack seine Wirkung nicht verfehlt. Den Guten hat’s wirklich erwischt. Hör nur, wie er schnarcht!”
    Sie sah, wie der Mund ihres Vaters zuckte und seine Augen einen liebevollen Ausdruck annahmen.
    “Ich fürchte, du hältst heute länger durch als ich. Ich muss ins Bett, ich kann kaum noch die Augen offen halten. Ich bin morgen wieder da, und dann lesen wir das Buch zu Ende, okay?”
    Sie beugte sich hinunter und gab ihm einen flüchtigen Gutenachtkuss. Als sie sich wieder aufrichten wollte, bemerkte sie, wie er seine linke Hand unbeholfen ausstreckte. Überrascht hielt sie inne und sah, wie er seine große Hand auf ihre schmale Hand legte und sie festhielt.
    Plötzlich fühlte sie sich wieder wie das kleine Mädchen, das auf den Schoß seines Vaters kletterte, damit er eine Geschichte erzählte. Oder das zu ihm in den Traktor stieg, um das Lenkrad zu halten, während er die Felder pflügte. Er hatte ihr beigebracht, mit Hammer und Nagel umzugehen, als er ihr ein Puppenhaus gebaut hatte, das noch immer oben in ihrem alten Zimmer stand. Und ihr fiel ein, wie sie mit acht Jahren in der Schulaula hinter dem Vorhang hervorgelugt

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