Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
Vom Netzwerk:
redeten die Jungs ohne Pause, während ihre Hände permanent zwischen Bier und Zigarette hin- und herwanderten.
    Während die anderen Mädchen immer zusammenhingen und sich unterhielten, blieb Mary June still und beobachtete die Jungs durch den Zigarettenrauch hindurch. Irgendwie schienen sie ein wenig
zu
laut zu lachen, ein bisschen
zu
viel zu trinken und gar nicht zu wissen – und es auch nicht wissen zu wollen –, was in ihrem Leben als Nächstes kommen sollte. Manchmal zogen sie sie auf, weil sie immer noch aufs College ging und dort ihre Zeit vergeudete, um anschließend doch nur den Erwartungen der Mittelklasse zu entsprechen. Tripp machte bei diesen Spielchen zwar nie mit, hielt die anderen jedoch nicht davon ab. Also erzählten sie ihr, dass es doch nur darauf ankam, Spaß zu haben, und zwar jetzt. Das
Heute
genießen und nicht an ein
Morgen
denken.
    Sie wurde wütend und war verletzt und behauptete, sie lägen total falsch. Und dennoch war sie fasziniert. Solche Ansichten hatte sie noch nie gehört, sie waren neu für sie und ungeheuer verwirrend.
    All ihre widersprüchlichen Gefühle teilte sie eines Abends Tripp mit, als er mit ihr nach White Point Gardens fuhr.
    Zur Abwechslung waren sie allein, und sie machten eine Fahrt in Mr. Wagners schwarz glänzender Pferdekutsche. Der Abend war mild, und die Brise vom Hafen strich ihr wie eine Liebkosung über die Haut. Während sie gemächlich dahinfuhren, legte Tripp seinen Arm um sie, und sie lehnte sich an ihn und genoss seine Wärme. Nachdenklich ließ sie ihre Finger über die Knöpfe seines Hemdes gleiten. Dann fasste sie sich ein Herz und fragte ihn, warum er sich um gar nichts scherte – weder Sweetgrass noch seine Zukunft, und nicht einmal um sie.
    Tripp erstaunte die Frage, doch er nahm sie ernst. Er drehte sich ein bisschen, um sie ansehen zu können, und auch wenn es dunkel war, konnte sie die Leidenschaft in seinem Blick erkennen, während er in stockenden Sätzen zu erklären versuchte, was in ihm vorging. Dafür zitierte er einen Mann, von dem sie noch nie gehört hatte und der Jack Kerouac hieß.
    Tripps Gedankengänge wirkten sprunghaft, und sie verstand nicht alles von dem, was er sagte. Aber es ging darum, wie er sein Leben leben wollte und dass er sich nicht an das halten wollte, was man von ihm erwartete. Er wollte das Leben genießen, reisen und die Welt kennenlernen. Er sagte, dass es um eine Art Freiheit ginge, nach der er suche und die ihm vielleicht den Frieden brachte, den er noch nicht gefunden hatte.
    Schließlich schaute er ihr in die Augen und küsste sie.
    Und genau das war die Antwort, die Mary June erwartet oder gebraucht hatte.
    Erst im Rückblick verstand Mary June, dass er völlig aufrichtig ihr gegenüber gewesen war. Doch sie hatte nicht mit dem Verstand zugehört, weil ihr Herz nicht hören wollte, was er eigentlich sagte. Stattdessen kam sich Mary June, wenn er so sprach, ungeheuer naiv und jung vor – und verzaubert. Nie hatte jemand so mit ihr gesprochen.
    Wenn sie mit Preston redete, fühlte sie sich ihm als ebenbürtiger Gesprächspartner. Sie hatten ähnliche Erfahrungen und hatten wenig Anlass zu streiten. Die Gespräche mit Preston waren sicher und bequem, sie konnte ihm ihre Träume mitteilen, und alles ergab einen Sinn.
    Mit Tripp dagegen fühlte sie sich alles andere als sicher. Mit ihm war alles ein Abenteuer. Jedes Wort, das ihm über die Lippen kam, hörte sich aufregend und unglaublich idealistisch an. Sie wollte mit ihm streiten, aber alles, was sie zu sagen hatte, kam ihr altmodisch und langweilig vor, obwohl sie jünger war als er.
    Vielleicht lag es daran, dass sie jung und beschützt war. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie in ihrem Herzen immer eine Schwärmerin gewesen war. Doch wenn sie Tripp zuhörte, entbrannte sie und fand ihn unglaublich schön. Und wie der Mond weit oben im Himmel über der Battery aufging, war Mary June vor lauter Verliebtheit im siebten Himmel.
    “Er ist viel zu alt für dich!”, sagte Adele, und ihre dunklen Augen sprühten Funken.
    Sie saßen in Babydoll-Pyjamas auf dem Doppelbett in Adeles Zimmer und lackierten sich die Fußnägel. Das Wetter war umgeschlagen, und es regnete seit zwei Tagen und Nächten ununterbrochen. Ihre Laune war im Keller, Tripp blieb draußen in Blakely’s Bluff, und Preston war irgendwo im Norden auf Geschäftsreise mit seinem Vater. Also saßen die beiden Mädchen zum ersten Mal, seitdem Mary June mit Tripp ging, wieder zusammen und

Weitere Kostenlose Bücher