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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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plant er diese Reise nach Europa. Er will als Rucksacktourist ein Land nach dem anderen kennenlernen. Ganz allein. Er wird mindestens ein Jahr weg sein. Aber bei ihm weiß man ja nie.”
    Für Mary June brach eine Welt zusammen. Sie lehnte sich an das Kopfende des Bettes, den Kopf leer und sprachlos.
    “Ich bin doch deine Freundin”, sagte Adele und rückte näher. Jetzt wo sie gesiegt hatte, kehrte ihre Großzügigkeit zurück. “Ich will einfach nicht, dass du verletzt wirst.”
    Doch Marie June sprang plötzlich auf, ohne auf Adele zu achten, und marschierte geradewegs zum Kleiderschrank. Sie zog einen blauen Regenmantel hervor, der ihre Beine nur zum Teil bedeckte, und zog ihn über ihren Pyjama.
    “Was hast du vor?”, wollte Adele wissen und setzte sich auf.
    “Ich gehe zu Tripp rüber.”
    “In diesem Aufzug? Das kannst du nicht machen! Das schickt sich nicht! Außerdem regnet es.”
    “Das ist mir egal.”
    “Es ist dunkel draußen. Du findest den Weg doch gar nicht. Du willst da jetzt nicht wirklich raus, oder? Mary June, sei vernünftig!”
    Aber Mary June zog fest entschlossen ihre Tennisschuhe an und beugte sich hinunter, um sie zuzubinden. Dann lief sie zur Tür und griff nach der Klinke.
    Adele versuchte es ein letztes Mal. “Meine Mutter wird einen Wutanfall bekommen!”
    Mary June drehte sich abrupt um und sah Adele herausfordernd an. “Nur, wenn du es ihr sagst.”
    Die beiden starrten sich wutentbrannt an, bis Adele ausstieß: “Und das werde ich.”
    “Wenn du das machst, kannst du dir eine neue Mitbewohnerin suchen”, drohte Mary June, wandte sich um und lief aus dem Zimmer.
    Mary June fuhr auf ihrem Fahrrad durch den dichten Regen. Es war unangenehm kalt, und langsam wurde ihr bewusst, was sie da gerade tat. Sie war dickköpfig und verrückt vor Wut – und es fühlte sich toll an. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals, während sie heftig in die Pedale trat, um das Rad durch den dicken Schlamm zu lenken. Mühsam versuchte sie, der gewundenen Straße zu folgen. Die Nacht war dunkel, die Wolken hingen tief, und die spindeldürren Kiefern und mächtigen Eichen mit ihren moosigen Stämmen sahen unheimlich aus. Sie kam sich vor, als müsste sie bei Ebbe durch den Fluss rudern. Sie erkannte nichts als eine graue Wand vor sich und ein Stück schlammigen Weges, dem sie folgen musste.
    Ein Weg, der sie zu Tripp brachte.
    Weiter, weiter, redete sie sich zu. Sie ignorierte die unheimlichen Rufe von irgendwelchen Tieren und andere Geräusche, die aus dem Dunkel zu ihr drangen. Sie konzentrierte sich auf das Haus, das sie weit vor sich am Ende des Weges wusste, direkt am Ufer. Sie radelte einer Antwort entgegen, die sie einfach bekommen musste, jetzt, in dieser Nacht.
    Als sie schon dachte, die Lunge müsste ihr vor Überanstrengung kollabieren, wurde der Weg breiter. Vor ihr lag das düstere Marschland. Dahinter erkannte sie schemenhaft den Fluss und das Meer. Je näher sie kam, desto salziger wurde die Luft, und desto stechender roch es nach modrigem Schlamm. Sie fuhr langsamer, als im Nebel die Umrisse von Bluff House auftauchten. Geradewegs bis zur Veranda fuhr sie und bremste erst, als der Vorderreifen gegen die unterste Stufe stieß.
    Im Haus war alles dunkel, nur aus dem Schlafzimmer im ersten Stock drang ein schwach flackernder Lichtschein. Er war also zu Hause und noch wach, wahrscheinlich las er im Licht einer kleinen Ölfunzel. Zum ersten Mal seit ihrem überstürzten Aufbruch fühlte Mary June sich schwach. Sie lehnte ihr Fahrrad an die Veranda und rannte durch den Regen die Stufen hinauf, als ein Blitz den Himmel kurz erhellte.
    Sie war vollkommen außer Atem von der Fahrt und vor lauter Nervosität. Sie wartete einen Moment, bis ihr Atem ruhiger wurde, dann klopfte sie dreimal an die Tür. Über den Sümpfen grollte ein Donner, dumpf und ohrenbetäubend. Der Sturm war noch nicht überstanden. Plötzlich wollte sie nicht mehr länger im Regen stehen. Mit der Faust klopfte sie an die Tür, kraftvoll vor lauter Angst und Verzweiflung.
    Sie dachte an all die Dinge, die er ihr in den vergangenen drei Wochen gesagt hatte, die zärtlichen Momente, die sie miteinander geteilt hatten, all die heimlichen Küsse hier und da, in seinem Auto, im Boot, am Strand, auf dem muffigen Sofa in seinem Haus. Mit einem Mal waren auch die Gerüche wieder da, die sie mit ihm in Verbindung brachte, die sie an die gemeinsame Zeit erinnerten, modrig und salzig, Parfum und Aftershave. Und die Erinnerung an

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