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Tabu: Roman (German Edition)

Tabu: Roman (German Edition)

Titel: Tabu: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferdinand von Schirach
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verwertbar ist. Der Polizist hat ihm mit Folter gedroht. Das ist doch nach dem Vermerk von Frau Landau völlig klar«, sagte Biegler. »Wir sind natürlich froh, dass Sie die Sache so schnell verhandeln können, aber ich möchte gerne, dass er auf freien Fuß kommt.«
    Der Vorsitzende nickte. »Die Frage der Folter ist eines der Probleme dieses Verfahrens«, sagte er. Er sah Landau an und wartete.
    »Wir können das in der Hauptverhandlung klären«, sagte Landau.
    Sie ist gut, dachte Biegler, kein bisschen unsicher. Er drehte sich auf seinem Sessel zu ihr. »Ich verstehe nicht, warum Sie das nicht längst geklärt haben. Obwohl Sie dabei waren, haben Sie das Geständnis Eschburgs in die Anklageschrift aufgenommen, als wäre nichts gewesen. Wir wissen hier doch alle, dass es nicht verwertbar ist.«
    »Über die Verwertbarkeit wird das Gericht entscheiden«, sagte Landau.
    »Seien Sie nicht albern«, sagte Biegler.
    »Es ist eine ernste Sache«, sagte der Vorsitzende. »Ich mache das nun schon seit fast dreißig Jahren. Noch nie hatte ich einen Fall der Folter. Wenn sich der Vorwurf als wahr herausstellt, werden wir das Geständnis natürlich nicht verwerten.« Der Vorsitzende klang hart. »Aber ich gebe Frau Landau recht. Die Kammer wird erst im Rahmen der Hauptverhandlung den Foltervorwurf prüfen können. Herr Biegler, bevor Ihr Mandant aussagt, werden wir den Polizisten und dann vielleicht noch Frau Landau selbst als Zeugen hören. Die Frage ist, ob Ihr Mandant sein Geständnis wiederholen wird.«
    »Ich habe das mit ihm noch nicht besprochen«, sagte Biegler. »Ich glaube aber nicht, dass Sie hier überhaupt einen Fall haben. Sie haben keine Leiche. Sie wissen noch nicht einmal, wer getötet worden sein soll. Ich weiß, dass diese Kammer schon einmal über einen Mord ohne Leiche verhandelt hat. Aber damals gab es Zeugen, die gesehen haben, was passiert ist. Es gab Hunderte Indizien …«
    »Es gab sogar Fotos von der Leiche«, sagte der Vorsitzende.
    »So ist es. Aber hier gibt es nichts«, sagte Biegler.
    »Das ist nicht wahr«, sagte Landau. »Wir haben den Anruf des Opfers bei der Polizei. Außerdem haben wir die sadistischen Pornos, die Handschellen, die Peitschen, das Obduktionsbesteck, den gemieteten Wagen mit Blutanhaftungen, das zerrissene Kleid in der Mülltonne und so weiter. Diese Indizien sind unabhängig vom Geständnis Ihres Mandanten.«
    Biegler gefiel, dass Landau kämpfte. Ich würde das genauso machen, dachte er.
    »Bisher wissen wir nur von einem Anruf einer unbekannten Frau«, sagte Biegler. »Wir kennen die Frau aber nicht. Es könnte ein Scherz sein. Oder eine falsche Verdächtigung. Eschburg ist sehr bekannt und wie alle Menschen in der Öffentlichkeit ist er dauernd solchem Unsinn ausgesetzt. Darauf können Sie nichts stützen. Was Ihre anderen Indizien angeht – nichts davon ist verboten, oder? Und das Kleid? Wissen Sie wirklich, warum es zerrissen ist? Oder wer es war? Glauben Sie im Ernst, ein Gericht wird einen Menschen deshalb 25   Jahre einsperren?«
    »Ihr Mandant kann sich ja unseren Fragen stellen«, sagte Landau.
    »Jetzt machen Sie sich aber wirklich lächerlich«, sagte Biegler.
    »Das Gericht wird die Indizien zusammen würdigen, nicht nur die einzelnen Teile«, sagte Landau.
    »Ich finde es schön, dass Sie immer so genau wissen, was das Gericht machen wird, aber …«, sagte Biegler.
    »Schon gut.« Der Vorsitzende unterbrach Biegler. »Sie müssen hier nicht plädieren.«
    »Darf ich rauchen?«, fragte Biegler.
    »Auf keinen Fall, das ist ein öffentliches Gebäude«, sagte Landau.
    »Es ist kein Gebäude, sondern mein Dienstzimmer«, sagte der Vorsitzende. »Trotzdem Nein. Aber Sie können noch Biskuit haben.«
    Biegler schüttelte den Kopf. Er hatte bereits Sodbrennen.
    »Ich will der Hauptverhandlung nicht vorgreifen, Frau Staatsanwältin«, sagte der Vorsitzende. »Aber ich fürchte, Sie sollten sich noch einmal an die Akten setzen. Die Beweislage ist tatsächlich dünn.«
    »Noch kann man Beweise nicht im Fachhandel kaufen«, sagte Biegler.
    »Seien Sie nicht so arrogant«, sagte Landau.
    »Ach ja?« Biegler wurde wütend. »Mein Mandant sitzt seit 17   Wochen in Untersuchungshaft. Sie haben monatelang ermittelt, ohne irgendetwas Vernünftiges vorlegen zu können. Sie gehen mit der Freiheit meines Mandanten um, als wäre es eine Dose Katzenfutter. Ihr Polizist hat ihm Folter angedroht. Davon steht nichts in der Presse. Das wird sich jetzt ändern, liebe Frau

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