Tänzerin der Nacht - Feehan, C: Tänzerin der Nacht - Night Game
Informationen über Joys Verschwinden musste er jeden Club im Umkreis von fünf Quadratmeilen abgeklappert haben, und doch hatte er über keine der beiden Frauen auch nur das Geringste in der Hand. Er hatte Urlaub genommen, geradeso wie Ian. Sie waren schon seit fast vier Wochen im Bayou und konnten nicht ewig bleiben. Wenn er nicht bald etwas über Joy herausfand, würde er abreisen
müssen, und es würde seiner Großmutter das Herz brechen. Sie war so sicher gewesen, dass er das Rätsel von Joys Verschwinden lösen und sie unbeschadet nach Hause bringen würde. Er begann zu glauben, dazu käme es wohl nicht mehr.
Sein unruhiger Blick glitt ständig umher. Mit allem rechnen. Immer und ewig mit allem rechnen. Er würde sich nie von dem Verlangen befreien können, auf der Hut zu sein. Er hatte die Zapfsäule im tiefsten Schatten und mit dem schnellsten Straßenzugang gewählt, und es war ihm nicht einmal bewusst gewesen. Mit einem kleinen Seufzer blickte er zu den Sternen auf. Er liebte die Nacht. Zu keiner anderen Zeit fühlte er sich wirklich behaglich, und heute Nacht konnte er ein bisschen Wohlbehagen dringend gebrauchen.
Er hatte sich bisher nicht allzu viele Gedanken über eine eigene Frau oder eine Familie gemacht. Er war kein Mann von der Sorte, die einen Hausstand gründete, aber Lilys Enthüllungen über genetische Verbesserungen hatten ihn unerwartet schwer getroffen. Aus irgendwelchen Gründen konnte er diesen Gedanken nicht abschütteln. Am Anfang hatte er es toll gefunden, als er gemerkt hatte, dass er mit geringer Mühe oder sogar mühelos auf ein Dach springen konnte, echt cool, eine außergewöhnliche und eindeutig positive Begleiterscheinung des Experiments zur Steigerung seiner übersinnlichen Fähigkeiten. Das Wort Virus war ihm nie in den Sinn gekommen, das Wort Krebs ebenso wenig. Die körperlichen Auswirkungen, die Dinge, die er plötzlich tun konnte, hatte er nie wirklich hinterfragt, und abgesehen von ihrem möglichen Nutzen als Waffen hatte er nie mit den anderen über seine gesteigerten körperlichen Fähigkeiten gesprochen. Vielleicht wollte es keiner
von ihnen wirklich wissen, aber jetzt schien es ihm von allergrößter Wichtigkeit zu sein.
Er hatte nicht unterschrieben, dass er sich zu genetischen Verbesserungen bereit erklärte. Zur Steigerung seiner übersinnlichen Fähigkeiten, ja, das schon. In seiner Kindheit war ihm aufgefallen, dass er gewisse kleine Begabungen im paranormalen Bereich besaß. Tiere reagierten auf ihn. Manchmal drängte sich ihm eine Ahnung davon auf, was sie fühlten. Er hatte ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis, und sein Verstand erkannte klare Strukturen, sowie er sie sah. Außerdem besaß er ein außergewöhnlich feines Gehör. Alles nur Kleinigkeiten, nichts weiter, aber er wusste, dass er Dinge tun konnte, die andere nicht konnten. Da er nicht anders sein wollte, behielt er diese Dinge für sich, wie es auch die anderen Schattengänger getan hatten.
Er war beim Militär ausgebildet worden, er war begabt im Umgang mit Sprengstoff, und er baute nicht nur rasch und effektiv Bomben, sondern konnte sie ebenso schnell und sorgfältig unbrauchbar machen. Er war von den Sondereinheiten rekrutiert worden, und sowie er das erste Mal von Dr. Whitneys Experiment mit übersinnlichen Veranlagungen und der paranormalen Spezialeinheit gehört hatte, war er Feuer und Flamme gewesen.
Die Vorstellung von einer einzigartigen Gruppe von Soldaten, die in der Lage waren, sich auf feindliches Gebiet zu schleichen und nach gezielten Kurzangriffen unerkannt wieder zu verschwinden, reizte ihn enorm. Er hatte zu viele Menschen – gute Freunde – sterben sehen, und er sah darin eine Möglichkeit, viele unnötige Tode zu vermeiden.
Was bedeuteten genetische Verbesserungen für die ohnehin schon ungewisse Zukunft der Schattengänger? Würden
sie Familien gründen können, und wenn ja, würden sie die Eigenschaften an ihre Kinder weitergeben? Was auf Erden hatte er sich dabei gedacht, sich auf eine solche Dummheit einzulassen? Er stöhnte laut. Ihm hätte aufgehen sollen, dass Whitney sie als menschliche Laborratten benutzen würde. Gator hatte nichts von Whitneys früheren Experimenten mit den kleinen Mädchen gewusst, als er sich verpflichtet hatte, aber auch das war keine Entschuldigung. Er hätte klüger sein sollen. Es konnte sein, dass er seine gesamte Zukunft weggeworfen hatte.
Gator lehnte sich an den Jeep und fuhr mit einer Hand durch sein dichtes schwarzes Haar. Er war
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