Tänzerin der Nacht - Feehan, C: Tänzerin der Nacht - Night Game
entkommen, die Geräusche ihres Motorrads überdecken und hoffen, dass sie nicht von einem der wirklich aufmerksamen Wächter entdeckt wurde. Wenn doch, dann war das schließlich einer der Gründe, weshalb sie sich das Motorrad überhaupt erst zugelegt hatte.
Flame rannte an der Seite des Gästehauses entlang zum Ende des Grundstücks. Gelegentlich versammelten sich die Wächter zum Kartenspielen dort, wo sich Saunders
niemals die Mühe gemacht hätte, nach ihnen zu suchen. In der Laube, in der ein Whirlpool untergebracht war, konnte sie zwei große, kräftige Männer sitzen sehen. Saunders setzte bei der Wahl seiner Männer auf den Einschüchterungsfaktor; er wollte Muskelpakete, die andere schon allein durch ihre äußere Erscheinung in Angst und Schrecken versetzten. Sie konnte das gemurmelte Gespräch hören: sie unterhielten sich über einen Club im French Quarter, den beide besonders gern mochten.
Sie kam mühelos an ihnen vorbei und schlich an der Hecke entlang, bis sie den Stein fand, den sie weiß angemalt hatte, damit er im Dunkeln leicht zu entdecken war. Sie steckte ihn in eine ihrer Hosentaschen, schaute nach links und nach rechts und lauschte eine Minute lang, sprang über die Mauer und landete blind auf der anderen Seite. Den Stein hatte sie vor Stunden dort abgelegt, um den einzigen Ort an der hinteren Mauer zu markieren, an dem sie hinüberspringen und an einer freien Stelle innerhalb des dichten Bewuchses landen konnte, der die Backsteinmauer umgab. Sie blieb in der Hocke, und ihr Herzschlag beschleunigte sich wieder. Whitneys Mann würde wissen, dass sie etwas im Schilde führte. Andernfalls wäre sie nie so lange auf dem Grundstück geblieben. Wahrscheinlich schlich er sich gerade an sie heran.
Sie ließ jeden ihrer übernatürlichen und natürlichen Sinne durch die Nacht schweifen und nach Informationen suchen, und sie achtete auf die Geräusche von Schritten und raschelnder Kleidung in den Sträuchern und Bäumen. Sogar das plötzliche Verstummen von Insekten hätte ihr einen Hinweis auf den Standort des anderen gegeben, aber sie hörte nur die gewohnten nächtlichen Geräusche.
Flame wartete nicht, bis hinter ihr Alarm geschlagen
wurde. Sie hielt sich tief in den Schatten und bewegte sich flink an der Backsteinmauer entlang, nutzte nach Möglichkeit Pflanzen zu ihrer Tarnung und suchte ihre Umgebung laufend nach Geräuschen oder Bewegungen ab. Während sie an anderen Häusern vorbeikam, brachte sie mehrere Wachhunde zum Verstummen. Als sie drei Kreuzungen von dem Anwesen entfernt war, das Saunders gehörte, blieb sie stehen. Sie musste die Straße überqueren, um zu dem Park zu gelangen, in dem sie ihr Motorrad abgestellt hatte, und die Straßenlaternen tauchten die gepflasterte Fahrbahn in helles Licht.
Sie wartete im Dunkeln. Das Gefühl, nicht allein zu sein, beschlich sie von Neuem. Das Gewicht der vier Aktentaschen lastete schwer auf ihren Schultern, aber sie ließen sich als Waffe einsetzen, falls es notwendig werden sollte – vorausgesetzt, sie kam so nah an ihn heran.
Leises männliches Gelächter drang an ihre Ohren; es kam zwischen den Bäumen tief im Park hervor. »Du kannst ruhig rüberkommen, Cher . Du kommst doch sicher schon mächtig ins Schwitzen, während du dastehst und dich fragst, ob ich bewaffnet bin oder nicht.«
3
DIE LEISE, SCHLEPPENDE Stimme, die diese Worte in breitem Cajun-Dialekt an sie richtete, ging ihr runter wie Honig und ließ Flames Herz schneller schlagen. Konnte er sie sehen? Oder spürte er, ebenso wie sie umgekehrt, instinktiv ihre Gegenwart?
»Du warst heute Abend ein sehr böses Mädchen. Ich weiß zwar nicht, was dir so wichtig war, Cher , aber jemand hätte dir sagen sollen, dass Stehlen etwas ganz, ganz Übles ist.«
Sie schwieg weiterhin beharrlich und versuchte, seine Stimme zu orten. Projizierte er sie aus einer vorgetäuschten Richtung, um sie reinzulegen? Sie war schnell, unglaublich schnell. Sie konnte über die erleuchtete Straße flitzen und zu ihrem Motorrad rasen, aber dann würde er ganz genau wissen, wo sie war. Der Teufel sollte Whitney und seine Experimente holen! Ihr blieb gar nichts anderes übrig, als sich ein paar weitere Kreuzungen vorzuarbeiten. Sie konnte spüren, wie die Minuten verrannen. Saunders würde seinem Elfenbeinturm nicht allzu lange fernbleiben, und der Diebstahl würde entdeckt werden.
Als sie sich mehrere Kreuzungen von ihrem Motorrad entfernt hatte, sprang Flame aus dem Schutz des Laubes heraus, raste
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